Am Zauberteppich tummeln sich kleine Kinder. Die Schlange am Schlepplift ist lang. Trotzdem ist die Stimmung ungewöhnlich entspannt. Von der Bar unten an der Talstation tönt lockere Musik hinauf. Jedoch: Es ist Hochsommer. Wir befinden uns in St. Corona am Wechsel, einem beschaulichen Ort inmitten der Wiener Alpen. Bei Schnee wird hier im Winter gewedelt, im Sommer geradelt: Und zwar mit Mountainbikes den Berg hinunter. Die kleine Gemeinde mit nur knapp 400 Einwohnern im Bezirk Neunkirchen in Niederösterreich liegt auf etwa 850 Metern Seehöhe. Vom Single- und Flowtrail, einer Jumpline, einem Pumptrack bis hin zum Übungsareal - für alle Alters- und Könnerstufen ist etwas dabei. Selbst Kleinkinder können mit dem Laufrad im Mini-Bikepark üben. Das haben wir gleich einmal ausprobiert.
Trailbiken, aber möglichst sicher? Am Wechsel geht es familienfreundlich zu
Biken statt Boarden am Wechsel. Skifahren rund im Wien? Na ja, das wird in Zukunft vielleicht schwierig. St. Corona setzt mit der Wexl-Arena voll auf Biker - die auf der Suche nach ein wenig Adrenalin sind.


In der warmen Sommersonne wächst die Vorfreude. Unsere Kinder sind zehn und 13 Jahre alt, sie besitzen weder Mountainbikes noch Erfahrung im Gelände. Deshalb haben wir vorab in der Bikeschool Pekoll ein zweistündiges Coaching für die ganze Familie gebucht: Wie stehe ich richtig am Bike? Wie wird gebremst? Und worauf kommt es beim Kurvenfahren an?
Doch erst das Equipment. Wie beim Skifahren kann in der "Wexl-Base" nach Reservierung so gut wie alles fürs Radabenteuer ausgeliehen werden. Ein Safety-Set ist für uns ohnehin Pflicht: ein gut sitzender Rad- oder Mountainbikehelm sowie Protektoren für Knie, Ellbogen, Oberkörper. Bei den Bikes stehen hochwertige Fullys, also vorn und hinten gefederte Mountainbikes, oder nur vorn gefederte Hardtails bereit. Hinauf geht es sicher und bequem mit dem Bikelift - ein Schlepplift, der umfunktioniert wurde und uns am Rad sitzend 1,2 Kilometer hinaufzieht.
Knapp die Hälfte der Fläche Österreichs ist mit Wald bedeckt, für Fußgänger gilt grundsätzlich Wegefreiheit. Doch das Befahren von Forstwegen, mit welchem Untersatz auch immer, ist durch das Forstgesetz von 1975 nur mit ausdrücklicher Genehmigung gestattet. Mountainbikes spielten damals noch keine Rolle. Was einst dem Schutz vor Motorrädern und Autos diente, wurde rechtlich allerdings nie angepasst.

Derweil wird das Mountainbiken immer beliebter, die Interessen der Radler und Radlerinnen geraten dabei oft mit denen der Grundbesitzer in Konflikt. Besonders rund um die Stadt Salzburg ist das Thema ein Dauerbrenner. Wo also fahren, wenn man sich nicht ständig in der Verbotszone bewegen will?
In St. Corona hat man schon vor mehr als zehn Jahren begonnen, auf den winterlichen Schneemangel zu reagieren, 2017 eröffnete der Mountainbike Trailpark. Mittlerweile umfasst das Gebiet 170 Kilometer ausgeschilderte Routen, etwa ein Viertel davon sind ausgebaute Flow- und Singletrails. Neue Panoramatrails führen hin zur steirischen Seite des Berges. Mit Wirkung: Die Region hat sich vom kleinen Kinderskigebiet zum Mountainbike-Hotspot entwickelt - und zu einer echten Ganzjahresdestination.
Dorthin blicken auch andere Touristiker mit Interesse. Nahe der Stadt Salzburg wurde vor zwei Jahren am Heuberg der erste legale Trail eröffnet, ein technisch fordernder Single-Trail, für Einsteiger wie uns eher ungeeignet. Ein Konzept ähnlich der Wexl-Arena könnte für stadtnahe Erholungsgebiete wie Gaissau-Hintersee oder dem Halleiner Dürrnberg eine neue Perspektive sein, denn Klimaveränderungen sind auch hier seit Jahren zu spüren.

Zurück nach Niederösterreich: Unser Biketraining beginnt in nahezu flachem Gelände neben dem Zauberteppich. Coach Manuel übt mit uns die richtige Haltung am Rad, stellt Pylone auf, lässt uns Kurven fahren und gezielt bremsen. Dann erklärt und zeigt er noch, wie wir unsere Bikes am Schlepplift befestigen und schon geht es mühelos hinauf, knappe zehn Minuten später sind wir oben. Alternative: ein Shuttle, der Biker zum Startpunkt der Trails bringt. Insgesamt 13 Wege führen von dort aus nach unten. Neben der vielen lustigen Namen signalisieren Farben die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade: Free Wheelie (grün-anfängerleicht), ChuckNoRisk (blau-leicht), Steezy Wonder (rot-mittelschwer) oder Terence Thrill (schwarz- schwierig). Flowtrails sind breiter angelegt als Singletrails, die Kurven strecken sich sanfter und sind damit auch für Anfänger geeignet. Klare Sache: Wir wählen den Flowtrail "Free Wheelie", ideal für Familien und Anfänger.
Immer wieder fährt unser Trainer voraus, beobachtet, macht Videoanalysen am Handy und gibt anschließend Tipps, wie wir die Kurven leichter nehmen, besser beschleunigen und dabei trotzdem nicht ausrutschen. Wichtig in der Kurve: Der Blick ist stets drei bis fünf Meter voraus, denn dort wo man hinschaut, radelt man auch hin. Doch dann passiert es: Fast schon am Ende des Trails rutscht mir am Schotter das Hinterrad weg. Ich lande unsanft am Boden. Bis auf ein paar kleine Abschürfungen ist dank guter Ausrüstung nichts passiert.

Wer vom Pferd fällt, soll gleich wieder aufsteigen, gleiches gilt für den Drahtesel: Wir fahren also gleich wieder hinauf und düsen den 2,7 Kilometer langen Trail erneut hinunter. Diesmal ohne Stopp, in gut zehn Minuten sind wir wieder beim Schlepper. Um Unebenheiten besser auszugleichen, fährt man Downhill nicht im Sitzen, sondern immer in leicht stehender Position, die Fersen nach unten gebeugt, Arme und Beine leicht angewinkelt, den Oberkörper mittig über dem Rad. Diese aktive Grundhaltung sorgt bergab für Stabilität und Kontrolle, doch sie fordert auch unsere Muskeln. Kein Wunder, dass schon nach der zweiten Abfahrt unsere Beine müde sind. Wir bleiben im Flow, wenn auch in einem anderen: Wir folgen den chilligen Beats von der Wexl-Base und landen beim wohlverdienten Eisbecher. Après-Bike statt Après-Ski!
RUNDUM-GAUDI IN DER NATUR
Wexl Arena in St. Corona am Wechsel, im Sommer mit Rodelbahn, Motorikpark, SUP am Speicherteich, Spielplätzen - und Wexl Trails für Biker allen Alters, www.wexlarena.at
www.wexltrails.at
Saison: Anfang April - Anfang November