In der Außenpolitik geht es Schlag auf Schlag: zuerst das Treffen zwischen den Staatschefs Trump und Putin in Alaska, drei Tage später dann ein Staatsgipfel, den es wohl nur selten gibt. Der ukrainische Präsident traf Trump im Beisein von Nato-Generalsekretär Mark Rutte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie mehreren europäischen Staats- und Regierungschefs. Alle haben ein Ziel: eine Friedenslösung für die Ukraine.
Nun will US-Präsident Trump ein Zweiertreffen zwischen dem ukrainischen Staatschef und Wladimir Putin organisieren. Als Verhandlungsorte wurden Genf und Budapest ins Spiel gebracht. Die Schweiz gewähre Putin sogar Immunität, da gegen ihn ein Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof vorliegt. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat nun neben der Türkei und der EU auch die Golfstaaten als mögliche Verhandlungsorte ins Spiel gebracht. Indes sprach der deutsche Kanzler Merz bei seinem Besuch in Frankreich davon, dass er nicht mehr an ein Treffen zwischen Selenskyj und Putin glaube. Ein Hin und Her also. Auch der österreichische Bundeskanzler Christian Stocker bot Österreich als Verhandlungsort an. Beim Besuch von Präsident Selenskyj hatte Stocker diesem bereits Wien als Verhandlungsort vorgeschlagen, da die Hauptstadt über eine lange Tradition als Ort des Dialogs verfüge.
Doch wie konnte sich Wien zu einer Hochburg der internationalen Diplomatie entwickeln? Werfen wir einen Blick auf die Geschichte der Bundeshauptstadt: Schon im 19. Jahrhundert war Wien Schauplatz eines historischen Treffens europäischer Herrscher zur Neuordnung Europas nach den Napoleonischen Kriegen, des sogenannten Wiener Kongresses. Österreich trat auch in der Zeit des Kalten Krieges immer wieder als Vermittler auf, da ein "neutraler Ort" zwischen den damaligen Großmächten günstig erschien. So trafen sich der sowjetische Regierungschef Chruschtschow und US-Präsident Kennedy im Jahr 1961 in Wien.
Diverse internationale Abkommen wurden in Wien ausverhandelt, so zum Beispiel das "Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen" und das "Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen". Diese Abkommen bildeten die Grundlage für die Errichtung des dritten UNO-Sitzes in der Hauptstadt neben New York und Genf. Allein in Wien sind mehr als 40 internationale Organisationen und zahlreiche NGOs angesiedelt. Die bekanntesten sind hierbei die OSZE, deren Ziele die Förderung von Sicherheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten sind, sowie die Opec, welche die Koordination der Erdölpolitik ihrer Mitgliedsstaaten zur Aufgabe hat.
Diese Entwicklung konnte nur durch die Neutralität geschehen. Das Neutralitätsgesetz beschreibt dies in Artikel 1 damit, dass sich Österreich aus freien Stücken zu seiner immerwährenden Neutralität bekennt und diese mit allen Mitteln aufrechterhält und verteidigt. In der Verfassungsrechtslehre herrscht jedoch Übereinstimmung, dass mit dem Beitritt zur EU die Reichweite des Neutralitätsgesetzes eingeschränkt wurde, da sich Österreich mit Artikel 23j der Bundesverfassung zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik verpflichtet hat.
In Bezug auf die Beistandsverpflichtung, wenn ein EU-Staat Ziel eines bewaffneten Angriffs wird, betont Österreich, dass auch dann die Neutralität respektiert werden müsse. Österreich ist ebenfalls der "Nato-Partnerschaft für den Frieden" beigetreten und führt regelmäßig internationale Gefechtsübungen, allen voran mit der deutschen Bundeswehr, durch. Deshalb diskutieren Experten schon seit Jahren, dass die Neutralität im klassischen Sinn nicht mehr bestehe.
In gewisser Art und Weise kann ich diese Meinung nachvollziehen, da von unserer Politik nur selten Artikel 23j der Bundesverfassung erwähnt wird. Man spricht immer von der militärischen Neutralität, die nach dem Beitritt zur EU nur noch in abgeänderter Form existiert. Dies sollte auch den Bürgerinnen und Bürgern offen kommuniziert werden. Eine Debatte zur Abschaffung der Neutralität finde ich nicht zielführend, da diverse Meinungsumfragen der letzten Jahrzehnte belegen, dass die Neutralität von der Mehrheit der Bevölkerung voll akzeptiert wird. Zusätzlich dazu ist die Neutralität ein Identitätsmerkmal der Republik Österreich. Gerade in Krisenzeiten sollte Österreich zusammen mit der Schweiz einen neutralen Boden inmitten Europas zur Verfügung stellen, um Konflikte diplomatisch zu lösen und Abkommen zu schließen.
Manuel Prodinger ist 20 Jahre alt und studiert ab Herbst Politikwissenschaft in Innsbruck.