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Wie sich Laufen zum Trendsport entwickelt hat

Vom "verrückten" Läufer bis zum Marathon ohne Schuhe - Gedanken über den wohl einfachsten (und besten?) Sport der Welt.

Schon der Gedanke daran fällt nicht leicht: Schritt für Schritt nach vorn, nicht so schnell, wie man eigentlich könnte, aber doch schneller, als nur gemütlich zu spazieren. Mit schwerem Atem und vielleicht sogar einem Stechen in der Seite. Anstrengend und umgeben von einer langweiligen Stille - wenn aus den Kopfhörern keine laute Musik kommt. Einfach alles irgendwie zermürbend. Bleibt die Frage: Warum tut man sich das freiwillig an, laufen zu gehen?

Schon vor Jahrzehnten verstand man nicht, warum Menschen "ohne einen Grund" durch die Gegend laufen. Der Großteil der Bevölkerung arbeitete damals körperlich, besonders am Land. In der Freizeit auch noch zu laufen, wurde schief belächelt. Liest man alte Bücher oder Berichte darüber, so wurden Läufer früher fast ein wenig in die Ecke der "Verrückten" geschoben. Aber man erkennt ebenso, wie aufregend und beinahe legendenhaft manche Läufer gewesen sein mussten. Da gab es zum Beispiel den Läufer Emil Zátopek, der seine Karriere 1941 begann. Sein Laufstil hatte wenig an Eleganz. Oft schien es, als pfeife er aus dem letzten Loch. Den tobenden Zuschauern war er darum als die "tschechoslowakische Dampflokomotive" bekannt. Am Ende lief er meistens aber allen davon, vier olympische Goldmedaillen - sogar über die Marathondistanz - belegen es.

Ein anderes Beispiel ist Abebe Bikila, der erste schwarzafrikanische Olympiasieger. 1960 trat er bei den Olympischen Spielen in Rom an - ohne Schuhe, da seine bereits zu kaputt waren und er kein passendes Ersatzpaar finden konnte. Barfuß lief er zu Gold im Marathon, und auch sein Sieg schlug Wogen. In den 1960ern verbreitete sich das Laufen als Sportart allmählich. Der Begriff "Joggen für jeden" kam auf und die großen Sportmarken erkannten das Geschäft, das mit jährlich neu verkauften Laufschuhen an eine breite Masse zu machen war. Dass körperliche Arbeit immer mehr von im Sitzen ausgeübten Bürojobs abgelöst wurde, kam der Verbreitung und Normalisierung des Laufens wohl ebenso entgegen. Heute ist es fast schon ein Massenphänomen: Jeder hat zumindest Laufschuhe daheim und bei diversen
Marathon- oder Laufveranstaltungen steigen die Starterzahlen kontinuierlich.

Gesundheit und Fitness stehen dabei wohl als Motive ganz oben. Oder einfach der Gedanke, einmal einen längeren Lauf geschafft zu haben. Was den Sport von anderen Breitensportarten wie Ski- oder Radfahren unterscheidet, ist die Einfachheit: Ein T-Shirt und eine Hose sind im Grunde genug, um loszulaufen. Wir haben uns über Tausende von Jahren mit dem einfachsten Schuhwerk nur zu Fuß bewegt, der menschliche Körper muss also perfekt auf das Laufen eingestellt sein. Denkt man diesen Gedanken weiter, wird sogar die Notwendigkeit von teuren Schuhen "mit der neuesten, unterstützenden Dämpfung" recht fragwürdig. Laufen ist also wahrscheinlich der ursprünglichste und minimalistischste Sport, den man ausüben kann.

Vor allem mit dem Entschluss, etwas im Leben ändern zu wollen, beginnen viele Menschen mit dem Laufen. Was genau nun anders werden soll, ist dabei ganz individuell, aber das Laufen scheint nicht ohne Grund ein ausgezeichneter Begleiter auf diesem Weg zu sein. Mit der regelmäßigen Ausübung kommen irgendwie meist auch die Freude, Hoffnung und die einsetzende, positive Veränderung immer mehr hinzu. Man lernt, dass es viel leichter und eher zum Ziel führt, den Weg so sehr wie nur möglich zu genießen und zu nehmen, wie er kommt, als sich verbissen Schritt für Schritt entlangzuquälen. Sei es nun beim täglichen Laufen oder im täglichen Leben. Schon allein diese Erkenntnis ist jeden Preis wert.

Auch ich selbst habe vor ein paar Wochen wieder erkannt, dass es wohl erneut Zeit für meine ganz individuellen Veränderungen werden muss und so dem täglichen Laufen - gewissermaßen als Helfer auf diesem Weg - gleich wieder viel mehr Platz in meinem Leben gegeben. Und vielleicht steht am Ende dann sogar noch einmal ein erfolgreicher Bergmarathon wie vor ein paar Jahren schon, den man mit tiefer Freude und Liebe im Herzen läuft, besser, als es mit der größten Verbissenheit je ginge.

Armin Brandstätter
ist 25 Jahre alt, stammt aus St. Michael im Lungau und
studiert Architektur in Linz.