Wollen Sie gern in Leichendorf leben? Eine Rundreise durch Ortschaften mit höchst skurrilen Namen
Schöne Gegend, hübscher Ort, aber bedenklicher Name? Da denkt man natürlich an Fucking im Innviertel - vor 20 Jahren begann der internationale Hype um das scheinbar obszöne Ortsschild. Aber auch Hodenhagen, Leichendorf und Hühnergeschrei haben es nicht leicht. Oder - können Ortsschilder gar zur Attraktion werden? barbara hutter
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Fucking ist der Klassiker – vor fünf Jahren gab die Gemeinde Tarsdorf auf und benannte den Ortsteil in Fugging um.
Im August 2005 war es soweit. Alle Ortsschilder an den vier Einfahrten zum Dorf Fucking im Innviertel wurden mit Schweißnähten, Beton und Nieten gesichert. Busweise waren sie gekommen, die Gäste aus dem - hauptsächlich - anglosächsischen Sprachraum. Um sich vor der Ortstafel im Bezirk Braunau zu zerkugeln und auch die eine oder andere abzumontieren und mitzunehmen. Seit fünf Jahren ist damit Schluss, denn der Gemeinderat von Tarsdorf hatte von dieser seltsamen Art des Tourismus die Nase voll. Auch wenn sich der edle Herr Adalpert von Vucckingen, auf den der Name zurückgehen soll, im Grabe umdreht! Denn nun prangt "Fugging" an der Ortseinfahrt, völlig unbehelligt. Und die britischen Touristen? Sollen sie doch ins benachbarte Bayern fahren, nach Petting!
Dort gibt sich Bürgermeister Karl Lanzinger gelassen, ja, fast stoisch. Und sagt gegenüber der Presse, wer hier in der Gegend, also im Kreis Traunstein, wohne, sehe da keine Zweideutigkeit. Vielleicht wegen mangelnder Englischkenntnisse? Wie auch immer, der Name bleibt.
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Bizarr anmutende Orts- und Flurnamen gibt es viele, ...
In Österreich und beim deutschen Nachbarn haben es so manche Gemeindeleiter und Bürgermeisterinnen nicht leicht. Denn wem entfährt kein kindisches Kichern bei deutschen Ortsschildern wie Tuntenhausen, Kissing und Pforzheim, Rammelsbach, Poppendorf oder Pups? Hodenhagen in Niedersachsen hat es sogar bis in eine TV-Show geschafft, wie Vizebürgermeister Hans-Jürgen Galler erzählt. "Die Frage war, was drei Personen auf einer Bank gemeinsam hatten. Antwort: Sie waren alle drei Bürgermeister von Orten mit seltsamen Namen." Er schmunzelt. Ob mehr Gäste nach Hodenhagen wegen des Namens kommen, lasse sich schlecht einschätzen. "Das äußert ja keiner offenkundig." Aufmerksamkeit erzeuge das aber auf jeden Fall. "Ab und an verschwinden Ortstafeln, weil irgendjemand meint, er müsse sich diese in den Partykeller hängen." Aber auch das halte sich in Grenzen.
Bei uns schaut's jedenfalls nicht besser aus: bei Sexling oder Mösendorf, beide in Oberösterreich, bei St. Blasen bei Murau, Samendorf, Busendorf bei Melk - als zusätzliche Pikanterie - oder Obergail in Kärnten. Ein weites Feld für schlüpfrige Selfies mit Ortstafel.
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Keine Lust zu kochen am Fuße des Schneebergs.
Doch wer hierzulande weiß schon, welche Zweideutigkeiten die Ortsnamen in anderen Ländern verbergen? Manche sind offensichtlich, wie etwa das idyllische Fischerdorf Dildo im kanadischen Neufundland, wo immer noch über die Herkunft des Namens gerätselt wird. Auch für die Weiler Anus auf den Philippinen, Shit im Nordiran, Le Tampon auf der Insel Réunion oder Vagina im tiefsten Russland gilt: Es ist nicht so gemeint. Eins haben sie jedenfalls gemeinsam. Sie sind gewissenhaft in die Online-Karte des britischen Geografen Gary Gale - hatte ich bereits den schrägen Humor dieser Inselbewohner erwähnt? - eingetragen, die unter dem Namen "Vaguely Rude Places of the World" abzurufen ist.
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... auch jenseits des Atlantiks, wie hier in den USA ...
Ehe es zu frivol wird, dann doch lieber nach Cool in Kalifornien, zum Gruseln nach Frankenstein in den Bundesstaat Missouri oder gar nach Surprise in Arizona. Wo die Überraschung hoffentlich eine erfreuliche ist, beim Besuch des riesigen Freibadgeländes des Aquatic Centers und auch des Wildlife Zoos mit seinen hübsch gefleckten Nebelpardern. Das ist einmal etwas Familientaugliches!
A propos: Wer seinen lieben Kleinen Fernreisen und damit verbundene Langstreckenflüge ersparen möchte, bleibt einfach im Innviertel. In Amerika. Ein kleiner Weiler, zwischen Wöppelhub und Ursprung, der zur Gemeinde Eitzing zählt. Statt Freiheitsstatue und Disneyland Urlaub am Land, wie er im Buche steht. Oder er fährt in die deutsche Uckermark, nach Afrika. Dort hausten nach dem Krieg Flüchtlinge aus Pommern in notdürftigen Hütten "wie in Afrika", heute vermieten Berliner hier Gästebetten. Gleich in der Nähe: Das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, eine eindrucksvolle Kulturlandschaft mit rund 240 Seen, Mooren, Wiesen, Buchenwäldern. Ideal für Familienurlaub.
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Quietschlebendig: Der Name kommt ursprünglich von „Läutendorf“.
Weil grad von Kindern die Rede ist… Lange Fahrten auf der Autobahn können ganz schön die Nerven beanspruchen, die der Kids und die der Eltern. Wer sich zuvor die Reiseroute auf einer - gern auch analogen, aus Papier gefalteten - Landkarte markiert, wird auf den gemütlichen Landstraßen links und rechts der mehrspurigen Verkehrsadern so manches Schmuckstück finden, das für Erheiterung, erholsame Pausen und Selfies sorgt. Und für originelle Urlaubsideen.
Wie wär's also mit einer Radtour von Kuckuck nach Faulebutter, gelegen im Südsauerland, die sogar durch einen Fledermaustunnel führt? Oder gleich ein Stopp in Kotzenbüll in Nordfriesland? Ob dort die Küche gut ist, kann nicht bestätigt werden… Wenn Onkel Erich oder Opa Franz immer alles besser wissen, könnte ein Ausflug nach Deppenhausen im Alb-Donau-Kreis, nach Dümmer in Mecklenburg oder gleich nach Katzenhirn im Allgäu helfen.
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... oder hier im kanadischen Neufundland.
Das Elend, falls wer fragt, liegt im Harz und die Hölle in Franken. So wie auch Leichendorf. Dass das Himmelreich in Salzburg liegt, weiß man eh. Unser Nachbarland ist ein Schatzkistchen an kuriosen Ortsnamen, von B wie Büchsenschinken bei Hamburg, bis O wie Oberkaka in Sachsen-Anhalt, das samt Unterkaka zur Gemeinde Meineweh im Burgenlandkreis zählt. Jede Menge Anlass zur Erheiterung also.
Aber seien wir gerecht. Auch in Österreich lassen sich lustige Touren unternehmen. Schon südlich der Bundeshauptstadt wird's dramatisch, wenn entlang der Donau nach Fischamend verständlicherweise Maria Ellend folgt. In Richtung Semmering geht's durch die Kalte Kuchl - nicht nahrhaft, aber eine beliebte Motorradstrecke. Überraschenderweise keltern die Winzer in den Weinviertler Orten Ober- und Unterstinkenbrunn höchst ansprechende Weine, und auch im steirischen Kotzgraben und Übelbach geht es nicht so zu, wie man meinen könnte. Hingegen ist der Arschlochwinkel durchaus so beabsichtigt: Das Wandergebiet am Fuß des Dachsteinmassivs wurde im 19. Jahrhundert intensiv kartografiert, auf die lästige Fragerei der Geometer antworteten die Einheimischen mit einem derben Scherz. Seither heißt das Gebiet so. Festgehalten und beurkundet.
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Landluft in Bayern.
Österreich ist ein schönes Land. Und hat viel zu bieten. Da wären das sonnige Hühnergeschrei und das entzückende Kochlöffleck sowie Diesseits und Jenseits, allesamt in Oberösterreich, die Innere und Äußere Einöde im reizvollen Kärnten, Großklein und Kleinklein sowie Edelschrott in der Steiermark und mehr.
Weltreise gefällig? Von Amerika im Innviertel ist es nach Chikago nicht mehr weit. Das jedoch liegt im burgenländischen Kittsee, einem Paradies für Radler. Von hier bis Mexiko sind es dann gerade einmal zweieinhalb Stunden. Das soll uns die Neue Welt einmal nachmachen! In dem beschaulichen Waldviertler Weiler hatten sich einst Soldaten zur Ruhe gesetzt. "Kaiser Maximilian hatte Soldaten rekrutiert, zwei davon aus der Gegend", sagt der Schremser Altbürgermeister Reinhard Österreicher. "Nach deren Heimkehr aus Mexiko wurde der Weiler nach ihnen benannt." Jetzt kommt eine echte Langstrecke: Von Mexiko bis Malta. In Kärnten. Statt Falken, Kreuzen und Johannitern geht's hier auf Wandertouren in die Bergwelt des Nationalparks Hohe Tauern, für erfrischende Gaudi im Wasser sorgen Seen und Bäche.
Oder wie wär's mit Krakau im steirischen Bezirk Murau oder gar an die Wolga, pardon, nach Wolga, ein Dorf bei Weiz. Im Süden lockt die Türkei. Und zwar die am türkisgrünen Faaker See, mit Blick auf den Kärntner Mittagskogel. Wem auch das zu weit ist, der bleibt einfach am Mondsee, in der einstigen Bohemien-Oase Schwarzindien.
KURZES GLOSSAR
Der Anschein, die Vorfahren hatten nur das Eine im Sinn, trügt. Hier ein paar Beispiele, wie Skurrilität aus simpler Lautverschiebung entstehen kann.
Busendorf: Hat mit weiblichen Oberweiten nichts zu tun, vielmehr mit der Buße, die die ansässigen Mönche auf sich nahmen.
Fischamend: Hier nimmt nicht der Fischreichtum ein Ende, sondern der Fluss Fischa, der in die Donau fließt.
Oberkaka: Besonders bei Kindern beliebt. Der Name jedoch kommt von den slawischen Wenden, bedeutete "Ort, in den Hang gebaut" und änderte sich von "Jes de gei" zu "Gaja" bis "Chaka" und dann "Kaka".
Mösendorf: Der Name kommt vom Wort "Messen", das dann vom Dialekt grob verballhornt wurde.
Petting: Von wegen Rumfummeln - der Name stammt von einem bajuwarischen Urvater "Petto".
Obergail: Doch kein Hormonschub - Der Fluss Gail bedeutete als "Gila" oder "Gilia" "die Aufschäumende".