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Erektionsstörungen gehören bekämpft

Erektionsstörungen beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität, sondern sind auch oft Warnsignale für schwerwiegende Erkrankungen.

Warnsignale ernst nehmen
Warnsignale ernst nehmen

Das Problem ist so alt wie der Mensch selbst. Bereits eine steinzeitliche Höhlenmalerei zeigt das Bild eines Büffels und daneben einen Mann mit halbherzig aufgerichtetem Penis. Wie alt der Steinzeitmann mit weichem Glied ist, lässt sich aus der Abbildung nicht herauslesen. Prinzipiell besteht bei der Häufigkeit von erektiler Dysfunktion jedoch eine Altersabhängigkeit: Je älter Männer sind, desto öfter treten Erektionsstörungen auf - was nicht heißt, dass nicht auch Jüngere davon betroffen sind. Wobei ein einmaliger "Hänger" kein Grund zur Beunruhigung sein muss. Eine erektile Dysfunktion liegt erst vor, wenn über einen Zeitraum von sechs Monaten in mehr als zwei Dritteln der Versuche keine zufriedenstellende Erektion zustande kommt. Dann sollte unbedingt fachärztlicher Rat eingeholt werden.

Ärzteschaft in die Pflicht nehmen

"Aber die Herren der Schöpfung reden nicht über ihre Probleme", sagt Andreas Jungwirth, Facharzt für Urologie und Andrologie in Salzburg, im Gespräch mit den SN. Jungwirth kritisiert nicht nur das falsch verstandene Schamgefühl der Patienten, sondern er nimmt auch die Ärzteschaft in die Pflicht: "Wir Ärzte müssten unseren Patienten die Brücke legen und nach der Routineuntersuchung noch fragen: ,Wie schaut es beim Sex aus?' Wenn da was nicht stimmt, dann brodelt es aus dem Patienten ja nur so raus." Freilich gebe es eine Holschuld seitens des Patienten, "aber der geht raus, froh, dass er für ein Jahr quasi das Pickerl bekommen hat, keinen Prostatakrebs zu haben, und nimmt seine Sexprobleme wieder unausgesprochen mit". Im Durchschnitt warten Patienten mit Erektionsstörungen fünf Jahre, bis sie sich einem Arzt anvertrauen. Bei den Frauen sei das nicht groß anders, sagt Jungwirth - auch die Gynäkologen kümmerten sich zu wenig um die sexuelle Dimension. Bei Problemen mit dem Partner im Bett suchen die Frauen oft die Schuld bei sich, fühlen sich unattraktiv, wollen ihn nicht beleidigen, glauben, er hat eine andere, usw., sagt Jungwirth, anstatt dass sie zum Mann sagen: "Jetzt gehst du endlich mal zum Doktor!"

Warnsignale für kardiales Risiko ernst nehmen

Dass dies doch zunehmend der Fall ist und Frauen "richtigerweise ihr Recht auf Sexualität in der Partnerschaft einfordern und ihre Partner zur Abklärung der Gründe für eine erektile Dysfunktion zum Arzt schicken", davon berichtet Germar-Michael Pinggera, Professor an der Universitätsklinik für Urologie in Innsbruck. Für eine adäquate Diagnose der erektilen Dysfunktion gilt es abzuklären, sagt er, "welche Stressoren oder psychischen Belastungen vorliegen oder - wie aber meistens - ob vaskuläre Erkrankungen, somit die feinsten Blutgefäße im Penis betreffend, die Ursache sind". Pinggera: "Der Androloge muss sozusagen über den Tellerrand hinausschauen. Unser Ziel muss sein, Folgeerkrankungen frühzeitig zu erkennen." Laut internationalen Studien würden bei Patienten im Durchschnitt dreieinhalb Jahre nach Anzeichen einer erektilen Dysfunktion vermehrt Herzerkrankungen und fünf Jahre danach Herzinfarkte auftreten. "Wir dürfen uns hier nicht nur auf die Erektion fokussieren", fordert der Urologe, "sondern Erektionsstörungen stellen Warnsignale dar, so gesehen als Antenne des Herzens, die vor hohem kardialen Risiko, Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes usw. warnen."

Medizinische Möglichkeiten bei Erektionsstörungen

Mit der schnellen Verschreibung einer Tablette sei es oft nicht getan, warnt Pinggera, wobei er den Nutzen von Viagra und Co. wie sein Kollege Jungwirth ("Ein Segen für Männer!") lobt: "Das sind sehr wertvolle Medikamente. Sie helfen einer Vielzahl still leidender Männer und nehmen darüber hinaus den Stress oder die Belastungssituation bei Erektionsschwierigkeiten weg. In einer rezenten Innsbrucker Studie konnten wir den Vorteil nicht nur für den Penis, sondern auch für die Prostata mit einer Durchblutungserhöhung nachweisen."

"Sex ist gerade im Alter oft das Sahnehäubchen."
Andreas Jungwirth
Urologe

Neben der "blauen Pille" gibt es in der pharmakologischen Therapie noch die Schwellkörper-Autoinjektionstherapie, bei der ein Wirkstoff in den Penis injiziert wird und laut Pinggera sehr gute Ergebnisse und Patientenzufriedenheit liefert. In der Zweitlinientherapie ist eine Vakuum-Erektionshilfe dienlich, bei der ein Kunststoffzylinder über den Penis gestülpt wird, der durch den erzeugten Unterdruck einen Bluteinstrom direkt in den Schwellkörper erzeugt. Gute Erfahrungen macht man in Innsbruck mit Penisoperationen, sagt Pinggera: Dabei wird ein aufblasbares Pumpsystem von außen nicht sichtbar in den Schwellkörper implantiert, das "bedarfsorientiert verwendet wird und höchst zuverlässig Härte und Erhalt der Sensibilität gleichzeitig garantiert".

Sich bei ihren Ärzten zu melden, "um über sexuelle Dysfunktionen zu sprechen und mit Selbstbewusstsein das in der WHO-Charta festgeschriebene Recht auf sexuelle Gesundheit einzufordern", dazu rät Urologe Jungwirth allen Betroffenen: "Sex ist die Würze des Lebens und gerade im Alter oft das Sahnehäubchen - darauf sollte niemand verzichten müssen."