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FH-Doktorat zwischen Forderung und Ablehnung

Die österreichischen Fachhochschulen wollen seit vielen Jahren die Möglichkeit erhalten, in forschungsstarken Bereichen Doktorate anzubieten. Die Universitäten sind weiter dagegen.Michael Roither

Die Debatte um das Doktoratsrecht für österreichische Fachhochschulen spaltet die akademische Gemeinschaft.
Die Debatte um das Doktoratsrecht für österreichische Fachhochschulen spaltet die akademische Gemeinschaft.

"Wir lehnen ein Promotionsrecht für die Fachhochschulen weiterhin strikt ab", bekundete unlängst die Präsidentin der Universitätenkonferenz (uniko), Brigitte Hütter, im Rahmen einer Stellungnahme zum neuen Regierungsprogramm. Die Fachhochschulen/Hochschulen für angewandte Wissenschaften (FH/HAW) seien für die rasche Bedienung der Arbeitsmarkterfordernisse gegründet worden, während die Forschungsexzellenz an den Universitäten angesiedelt sei. Es brauche auch keine "Parallelstrukturen": Wollen Fachhochschul-Absolventen in die Wissenschaft einsteigen und ein Doktoratsstudium beginnen, könnten sie das schon jetzt an einer Uni tun. Und an FH/HAW müssten für Doktorate erst die entsprechenden Strukturen mit Personal eingerichtet und finanziert werden.

Promotionsmodell stärkt Hochschulsystem nachhaltig

Wenig überraschend ganz anders die Lesart der FH/ HAW. Die Fachhochschulkonferenz (FHK) begrüßt die fortlaufende Diskussion über die Weiterentwicklung des Hochschulsystems. "Die Verankerung eines Promotionsmodells für FH/HAW ist ein Meilenstein. Hier soll eine Prüfung am Beispiel bereits bestehender Angebote an FH/HAW im Ausland erfolgen", betont die Präsidentin der Fachhochschulkonferenz, Ulrike Prommer. Der Passus im neuen Regierungsprogramm sei in Verbindung mit den dort ebenfalls enthaltenen industrienahen Dissertationen zu sehen, mit denen Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft aus der Anwendung heraus aufgebaut werden sollen. Diese Programme seien auf die FH/HAW zugeschnitten, da sie "idealtypisch deren Profil abbilden". Jetzt gelte es vor allem, diesen Punkt rasch umzusetzen und "keine Zeit mehr zu verlieren, um die Strukturblockade der vergangenen Jahre rasch aufzulösen".

Industrienahe Forschungsprojekte in FH-Doktoratsprogramme

Gleichzeitig betont die Fachhochschulkonferenz, dass die Möglichkeit zur Verleihung eines Doktorats an FH/HAW "keinesfalls eine Doppelgleisigkeit darstellt, sondern eine sinnvolle und notwendige Ergänzung des bestehenden Hochschulsystems ist". Die FH/HAW in Österreich hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten als starker und innovationsgetriebener Bestandteil des Hochschulsystems etabliert. Die Stärkung der angewandten Forschung durch promotionsfähige Programme sei eine "logische Weiterentwicklung, die bestehende Strukturen nicht infrage stellt, sondern ergänzt". Die geplanten Doktoratsprogramme würden sich von jenen der Universitäten unterscheiden, indem sie gezielt industrienahe Forschungsprojekte in den Fokus rücken. Dies schaffe zusätzliche Möglichkeiten für qualifizierte Forscherinnen und Forscher, die ihre Kompetenzen gezielt in einem anwendungsorientierten Umfeld weiterentwickeln wollen.

Deutschland erkennt Bedarf für FH-Doktorate

Deutschland habe die Notwendigkeit dieser Entwicklung aus Sicht der FHK erkannt und setze diesen Schritt konsequent um. Laut dem deutschen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) hat bereits die Hälfte der Bundesländer (diese sind in Deutschland zuständig) die Möglichkeit für Doktorate an FH/HAW geschaffen. Der Sektor ist in Deutschland deutlich älter und größer - knapp die Hälfte aller Studierenden entscheidet sich dort für eine FH/HAW. "Kein Bundesland wird es sich dauerhaft leisten können, seinen Fachhochschulen bzw. HAW die eigenständige Betreuung einer Promotion zu verwehren, die Entwicklung ist nicht aufzuhalten", prognostizierte Ulrich Müller, Mitglied der Geschäftsleitung des CHE, bereits vor einiger Zeit. Die bisherigen Kooperationsoptionen zwischen Unis und HAW bestünden in Deutschland "zwar auf dem Papier und funktionieren im Einzelfall sicher auch hervorragend". Die Zahlen würden aber zeigen, dass es in der Realität schwerfällt, kooperationswillige Uni-Professoren zu finden.

Fachhochschulkonferenz appelliert an Dialogförderung

Die Fachhochschulkonferenz betont in einer Aussendung ihre Dialogbereitschaft beim Thema Promotion. Die Weiterentwicklung des Hochschulsystems solle "von Kooperation und gegenseitiger Unterstützung geprägt sein, nicht von Abgrenzung". Die Unis und FH/HAW hätten jeweils ihre eigenen Stärken und Spezialisierungen, die gemeinsam genutzt werden sollten, um Österreich als Wissenschaftsstandort international noch wettbewerbsfähiger zu machen. Die Fachhochschulkonferenz "appelliert an alle Beteiligten, sich dieser Weiterentwicklung offen und sachlich zu nähern". Die Einführung promotionsfähiger Programme an FH/HAW sei keine Konkurrenz zur universitären Forschung, sondern eine "kluge und notwendige Ergänzung, die Österreichs Hochschullandschaft und den Wirtschaftsstandort insgesamt stärkt", sagt FHK-Generalsekretär Kurt Koleznik.

FHs stärken Forschungsanwendungen

Noch deutlicher wurde unlängst der Präsident der europäischen Fachhochschulvereinigung EURASHE und Geschäftsführer der Fachhochschule St. Pölten, Hannes Raffaseder, in einem Posting auf der Plattform LinkedIn. "Erschreckend" sei für ihn, dass "bei der Begründung der ablehnenden Haltung hinlänglich bekannte Erfolgsbeispiele aus mehreren deutschen Bundesländern und ähnliche Entwicklungen in Irland, Holland oder Portugal genauso ignoriert werden wie europäische Berichte (z. B. Draghi-Report, Letta-Report), in denen eindringlich auf die Probleme beim Transfer von Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung in Anwendungen mit Wirkung für Wirtschaft und Gesellschaft als größte Schwäche des europäischen Forschungs- und Innovationsraums hingewiesen wird." Genau dabei könnten FH/HAW relevante Beiträge leisten. Er weist außerdem darauf hin, dass es ähnliche Diskussionen auch bei der Einführung des Promotionsrechts für Kunstunis gegeben habe. "Die künstlerischen Doktorate haben sich dennoch rasch etabliert und leisten längst ganz wesentliche Beiträge für Wissenschaft und Gesellschaft."

Forschungsstarke FH/HAW sichern Drittmittel

Es gebe heute mehrere forschungsstarke FH/HAW, die "deutlich mehr als ,nur' Auftragsforschung betreiben, sondern überaus erfolgreich jene Drittmittel im (inter)nationalen Wettbewerb einwerben, die sie für ihre Forschung mangels Basisfinanzierung unbedingt benötigen". Sie würden daher über die notwendigen Strukturen und hochqualifiziertes Forschungspersonal verfügen. Und letztlich werde von den FH/HAW auch gar kein allgemeines Promotionsrecht gefordert, sondern einzelne, streng nach internationalen Standards qualitätsgesicherte, extern akkreditierte Doktoratsprogramme, die z. B. auch an österreichischen Privatuniversitäten bereits möglich seien.