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Audi-Chef Döllner über Sparmaßnahmen, Modelloffensive und Formel 1

Trotz massiver Sparzwänge blickt Audi-Chef Gernot Döllner optimistisch in die Zukunft. Der CEO über die technische Aufholjagd, verwirrende Modellnamen und das Abenteuer Formel 1.

Große Symbolik: Für die Weltpremiere des Kompakt-SUV Q3 nutzte Audi-Chef Gernot Döllner die zentrale Piazza im Audi Forum in Ingolstadt.
Große Symbolik: Für die Weltpremiere des Kompakt-SUV Q3 nutzte Audi-Chef Gernot Döllner die zentrale Piazza im Audi Forum in Ingolstadt.

Der studierte Maschinenbauer Gernot Döllner kam 1993 zur Volkswagen AG und wechselte 1998 als Abteilungsleiter für Fahrzeugkonzepte zu Porsche nach Weissach. 2021 ging er zurück nach Wolfsburg, wo er die Leitung der Konzernstrategie übernahm. Seit 1. September 2023 ist der heute 56-Jährige CEO der Marke Audi, Mitglied des Vorstands des VW-Konzerns sowie Vorsitzender des Verwaltungsrats der Sauber Motorsport AG, die für den geplanten Formel-1-Einstieg 2026 von Audi übernommen wurde.

Herr Döllner, der Anlass für unser Gespräch ist die Weltpremiere des neuen Audi Q3 am Hauptsitz der Marke in Ingolstadt. Welche Bedeutung hat das Modell? Gernot Döllner: Der Q3 ist für viele Kunden der Einstieg in die Marke Audi, das erfolgreichste Kompaktfahrzeug im Portfolio, ein echtes Backbone-Modell. Wenngleich der Trend in Richtung Elektromobilität eindeutig ist, wird uns der Q3 noch viele Jahre in die Zukunft tragen - als Verbrenner, aber auch als Plug-in-Hybrid.

Sie haben Audi im September 2023 übernommen, als die Zulassungszahlen sanken und das Angebot als veraltet eingeschätzt wurde. Was haben Sie seither verändert? Wir sind die Herausforderungen sehr konsequent mit der Audi-Agenda angegangen. Ein wichtiger Teil davon ist die größte Modelloffensive der Unternehmensgeschichte. Begonnen haben wir damit im März des Vorjahrs. Bis Ende dieses Jahres werden wir dann binnen 24 Monaten über 20 neue Modelle auf den Markt gebracht und das jüngste Angebot im Premiumsegment haben.

Wie konnte es dazu kommen, dass man derart in Rückstand geraten ist? Ich sehe da vor allem zwei Dimensionen, die zu einem Stau in der Abarbeitung der Anläufe geführt haben. Einerseits haben wir uns beim Thema Software und den gewählten Elektronikarchitekturen ein Stück weit selbst ausgebremst. Mittlerweile sind wir hier wieder im Plan. Andererseits ist Audi mit dem Anspruch, in vielen Bereichen führend zu sein, ein bisschen zu sehr in den Mainstream gegangen, statt konsequent und gezielt auf Vorsprung durch Technik zu setzen. Auch hier sind wir jetzt in der Spur.

Inwiefern macht sich der Strategiewechsel bereits bezahlt? In Westeuropa verzeichnen wir im ersten Quartal einen Zuwachs bei den Auftragseingängen von 22 Prozent - und das, obwohl unsere jüngsten Neuvorstellungen erst Schritt für Schritt in den Märkten weltweit ankommen. Und wir stellen uns nicht nur im Portfolio neu auf: Während wir auf der einen Seite dabei sind, neue Fahrzeuge einzuführen, denken wir Audi gleichzeitig grundlegend neu und nehmen eine strukturelle Neuaufstellung der Marke vor.

"Die Elektroautos sind den Verbrennermodellen in vielen Bereichen schon überlegen."
Gernot Döllner
Vorstandsvorsitzender Audi AG

Allerdings müssen Sie auch Milliarden einsparen. Die Rede ist von einer Milliarde Euro pro Jahr bei den Personalkosten. Die Zukunftsvereinbarung, die wir im März dieses Jahres getroffen haben, ist ein großer Schritt in Richtung gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Auf der Fixkostenseite werden wir uns schlanker aufstellen und bis zu 7500 Stellen sozialverträglich abbauen. Andererseits investieren wir bis 2029 auch rund acht Milliarden Euro in die deutschen Standorte.

Wie kostenintensiv ist der Spagat, rein elektrische Modelle, Verbrenner und Plug-in-Hybride anbieten zu müssen? Die Antriebswende verläuft in Wellenbewegungen. In den USA geht der Wandel zur E-Mobilität deutlich langsamer voran als prognostiziert, und auch Europa ist diesbezüglich regional sehr unterschiedlich. Wir bespielen diese Übergangsphase hin zur E-Mobilität mit einem Dreiklang aus Verbrennern, Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos. Wir sind jetzt in der glücklichen Situation, dass wir mit unserer Modelloffensive bestens für die Transformation aufgestellt sind. Was man nicht aus den Augen verlieren darf: Wir machen die E-Mobilität nicht zum Selbstzweck. Dahinter steckt das Ziel der Dekarbonisierung des Verkehrs. Und das funktioniert beim Pkw nur mit E-Antrieben.

Nur müssen die Konsumenten davon auch überzeugt sein. Die Konsumenten werden wir dann überzeugen, wenn die E-Autos den Verbrennern überlegen sind - was sie in vielen Bereichen schon sind. Am schnellsten geht der Umstieg in Märkten wie China, wo es einen klaren Kostenvorteil für E-Autos gibt. Bei niedrigen Strompreisen zwischen zwei und vier Cent pro Kilowattstunde belaufen sich die Kilometerkosten dort auf einen Bruchteil im Vergleich zu denen der Verbrennermodelle.

Ein Teil der deutschen Premiumkonkurrenz setzt seit einiger Zeit ganz klar auf die Luxusstrategie. Wie wird sich Audi langfristig positionieren? Wir verorten uns ganz klar im Premiumsegment. Der Luxusansatz ist nicht die Richtung, in die wir gehen. Bei Umsatz und Ergebnis pro Fahrzeug sehe ich noch großes Potenzial zu wachsen. Dabei streben wir weniger nach Volumenwachstum, sondern wollen eher profitables Wachstum. Uns hilft, dass wir vom Einstiegssegment aufwärts über alle Segmente hinweg glaubwürdige Angebote liefern können. Dazu gehört auch das Einsteiger-Elektromodell, das ab nächstem Jahr in Ingolstadt gebaut wird.

Für Irritationen hat zuletzt der Wechsel und der darauffolgende Rückzieher bei den Modellbezeichnungen gesorgt. Im Nachhinein ein Fehler? Nein, die Entscheidung, diesen Prozess zurückzudrehen, war richtig. Wir hätten sie aber noch früher treffen sollen. Mit der Rückbesinnung auf eine eindeutige Nomenklatur haben wir nun Klarheit für unsere Kunden geschaffen: Der Buchstabe A steht für flache Fahrzeuge, Q für höhere Modelle, dazu e-tron für reine Elektroautos und e-hybrid für Plug-in-Hybride.

Als CEO haben Sie auch die Entscheidung zum Formel-1-Einstieg 2026 geerbt. Wie stehen Sie dazu? Wir sind sehr glücklich damit, wie sich die Formel 1 als globale Plattform entwickelt und welche Reichweite die Serie an den insgesamt 24 Rennwochenenden hat. Gerade in Nordamerika und Asien schaut ein junges, zunehmend weibliches Publikum zu. Eine klare Botschaft für die Zukunftsfähigkeit der Rennserie ist auch das künftige Reglement mit dem hohen Elektroanteil und nachhaltigen Kraftstoffen - zwei Themen, die extrem wichtig sind. Zudem wird Effizienz der Kern des neuen Reglements sein. Gerade deshalb ist die Formel 1 ein fantastisches Labor für die Entwicklung neuer Technologien.