Bis in die 1980er-Jahre wurden Holzschutzmittel, die die Wirkstoffe Pentachlorphenol (als Fungizid) und Lindan (als Insektizid) enthielten, bedenkenlos eingesetzt. Als sich herausstellte, dass beide Substanzen aufgrund ihrer Toxizität ein hohes Gesundheitsrisiko für Menschen darstellen, wurden sie zwar aus dem Handel verbannt, die Folgen des Gebrauchs wirken jedoch bis heute nach.
Holzschutzmittel: Neues Verfahren befreit Holz von Schadstoffen
Forschende des Fraunhofer-Instituts arbeiten an einem Verfahren, das giftige Substanzen im Holz wie Fungizide und Insektizide einschließen und langfristig binden kann.

"In historischen Bauten befinden sich häufig gefährliche Schadstoffe."
Fakt ist: Die schwerflüchtigen Schadstoffe im Holz haben ein langes Leben
Selbst nach Jahrzehnten finden sich in Räumen, die mit diesen Holzschutzmitteln behandelt wurden, noch immer hohe Konzentrationen der toxischen Substanzen. Damit geht von kontaminierten Holzverkleidungen oder Dachstühlen auch heute noch eine Gefahr aus. Besonders betroffen sind historische Bauten und Altbauten, die in dieser Zeit einer Sanierung unterzogen wurden.
Abhängig von der nachgewiesenen Konzentration in der Raumluft, im Hausstaub oder im behandelten Holz war bisher entweder ein Abriss oder zumindest ein Abtragen der betroffenen Holzschichten notwendig. Das könnte sich nun ändern. Vor Kurzem ist es Forscherinnen und Forschern des Fraunhofer-Instituts gelungen, eine alternative Lösung zu entwickeln. Giftige Stoffe lassen sich mit dieser neuen Methode rückstandslos und ohne Substanzverlust entfernen. In dem Projekt "Cyclo Plasma" kombinierten die Forschenden eine Adsorptionstechnologie zum Entgiften des Holzes und ein Plasmaverfahren zur Reinigung der Raumluft von bereits ausgetretenen Schadstoffen.
Adsorber- und die Plasmatechnologie: Neue Rezeptur kapselt Schadstoffe im Holz ein
Als Adsorbermaterial, das wie eine Lasur auf das Holz aufgestrichen wird, verwenden die Forschenden Cyclodextrine (CD). Diese Moleküle sind in der Lage, Schadstoffe wie Lindan und PCP einzufangen und zu binden. Sie wurden bereits vor hundert Jahren entdeckt und kommen auch bei der Sanierung von schwermetall- oder ölverunreinigten Böden zum Einsatz. "Bei den Cyclodextrinen handelt es sich um ringförmige Dextrosemolekülketten, die enzymatisch aus der Stärke gewonnen werden. Die Ringstrukturen aus Zuckerketten umschließen das Lindan und PCP in einem Hohlraum und kapseln sie somit komplett ein", sagt Dr. Andrea Burdack-Freitag, Leiterin der Gruppe Analytik und Angewandte Sensorik. Die Wissenschafterin und ihr Team haben eine neue gelartige Rezeptur aus den Cyclodextrinen, die als weißes Pulver vorliegen, formuliert. Das Gel lässt sich zerstörungsfrei auf Holz auftragen. Die farblose Textur verändert die Holzstruktur nicht und ist auf der Holzoberfläche nicht wahrnehmbar. Sie löst keine Schimmelbildung aus, ist ungiftig, farblos, biologisch abbaubar und abwaschbar. Die Rezeptur sickert in die Poren des Holzes ein, wo sie die Schadstoffe wie ein Schwamm aufsaugt. "Je nach Schadstoffkonzentration verbleiben diese in der CD-Schicht gebunden", erklärt die Forscherin.
Sind zu viele giftige Substanzen vorhanden, können sie nicht komplett von der Rezeptur adsorbiert werden. Die überschüssigen Schadstoffe werden dann in die Innenraumluft abgegeben. "An diesem Punkt kommt die Plasmatechnologie zum Einsatz. Ein Plasmagerät, das sich etwa an der Decke anbringen lässt, saugt die schädlichen Stoffe auf und macht sie unschädlich."
Elektroden im Gehäuse erzeugen ein Plasmagas, durch das der Luftstrom mit den Schadstoffen durchgezogen wird. Das Plasmagas baut das Lindan und PCP chemisch ab. Zusätzlich verhinderten Aktivkohlefilter, dass gasförmige Abbauprodukte aus dem Gerät entweichen können, erläutert Burdack-Freitag das Prinzip. Die ersten Laboruntersuchungen des Verfahrens wurden bereits erfolgreich abgeschlossen. Derzeit findet die praktische Erprobung der Technologie im kontaminierten Dachgeschoß einer historischen Mühle statt. Das sei kein Zufall, erläutert Prof. Ralf Kilian von der Kulturerbeforschung am Institut für Bauphysik des Fraunhofer-Instituts. "Gerade in den Dachstühlen historischer Bauten sowie den Exponaten musealer Sammlungen befinden sich sehr häufig gefährliche Schadstoffe aus Holzschutzmitteln, die früher verwendet wurden, um das Kulturgut möglichst langfristig zu erhalten." Arbeitsschutzuntersuchungen, sagt der Experte, hätten dort hohe Belastungen in den Räumen ergeben. Die Ergebnisse der Forscher geben schon jetzt Anlass zur Hoffnung. In dem Laborverfahren konnten die vorhandenen Schadstoffe komplett abgebaut werden, bei den Versuchen in der historischen Mühle ließ sich die Schadstoffkonzentration auf ein Drittel der Ausgangskonzentration senken. Allerdings wurde die Rezeptur in bisherigen Tests nur dünn auf die sichtbaren Holzoberflächen aufgebracht. Wird die Lasur dicker aufgetragen, lässt sich die Schadstoffkonzentration noch weiter senken. Nach den Versuchen kam es weder zur Schimmelbildung noch hatte die Rezeptur das Holz geschädigt. Im Langzeitversuch wird nun geprüft, wie lange die CD-Schicht stabil bleibt und ob auch langfristig keine Schadstoffe entweichen.
Entgiftung von Holz: Technologie für Sanierer und Bauträger
Je nach Schadstoffbelastung und Raumgröße lassen sich die Adsorber- und die Plasmatechnologie kombinieren. "Die Sanierungsmaßnahmen erfolgen quasi nach dem Baukastenprinzip. Wir haben unsere Rezeptur für den Sanierungs- und Baubereich zum Patent angemeldet. Denkbar ist auch die Restaurierung von Holzmöbeln und Holzobjekten", erklärt Dr. Andrea Burdack-Freitag. "Die Lösung eignet sich möglicherweise auch für andere Baumaterialien wie Beton und Estriche, sofern diese ebenfalls Lindan und PCP enthalten. Hier stehen Tests mit potenziellen Industriepartnern jedoch noch aus."