SN.AT / Panorama / Wissen

Warum manche Familienunternehmen jede Krise überstehen

Ein Forschungsprojekt der FH Salzburg zeigt, was Familienunternehmen in Krisen stark macht - und wo ihre Schwächen liegen.

Der Staffelstab muss auch in (Familien-)Unternehmen zum richtigen Zeitpunkt weitergegeben werden.
Der Staffelstab muss auch in (Familien-)Unternehmen zum richtigen Zeitpunkt weitergegeben werden.

"Familienunternehmen sind nicht per se resilient", stellt Michael Kuttner klar. Der Professor an der FH Salzburg hat gemeinsam mit Julia Riepl, Thomas Mörth und Christine Mitter erforscht, warum manche Familienunternehmen Jahrhunderte überdauern, während andere an der ersten größeren Krise scheitern. Das Ergebnis: Es kommt darauf an, wie geschickt die Unternehmen ihre typischen Stärken ausspielen - und gleichzeitig dysfunktionale Muster überwinden.

"Familienunternehmen werden häufig als janusköpfig bezeichnet", erklärt Kuttner. Jene Faktoren, die Stärke verleihen, können im Negativfall auch eine Schwäche darstellen. Entscheidend sei der Umgang mit diesen Ambivalenzen.

Die von der Equa-Stiftung geförderte Studie identifizierte fünf Schlüsselfaktoren für die Resilienz: langfristige Orientierung über Generationen, emotionale Bindung der Familie zum Unternehmen, vertrauensvolle Beziehungen zu allen Beteiligten, Mobilisierung familiärer Ressourcen und starke Wertorientierung.

"Diese Faktoren wirken wie ein soziales Sicherheitsnetz", erklärt Kuttner. Mitarbeiter gelten als "erweiterter Teil der Unternehmerfamilie" und arbeiten nicht nur für Geld, sondern aus Loyalität. Die Einsatzbereitschaft während einer Krise sei außergewöhnlich hoch, zusätzliche Aufgaben würden freiwillig übernommen. Lieferanten zeigten "Handschlagsqualität" - Kulanz bei Zahlungszielen, bevorzugte Belieferung und Solidarität. Kunden blieben durch Verlässlichkeit und Serviceorientierung auch bei Preiserhöhungen treu.

"In Krisen entstehen kurze Abstimmungswege und pragmatische Lösungen", ergänzt der Forscher. Zusätzliche finanzielle Mittel können schnell und ohne formale Hürden bereitgestellt werden. Viele Familienunternehmen verfügen über hohe Eigenkapitalanteile als finanzielles Polster.

Unterschiedliche Krisen erfordern völlig verschiedene Bewältigungsstrategien. Corona verlangte schnelle operative Anpassungen - vom Aufbau von Onlineshops bis hin zur Maskenproduktion, von der Einrichtung von Krisenstäben bis zum Einsatz von Familienmitgliedern für ausgefallene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Energiekrise erforderte wieder andere Maßnahmen: technologische Anpassungen wie Investitionen in Solaranlagen, Kalkulationsanpassungen und Sortimentsverlagerungen zu energieschonenderen Produkten. Bei der Inflation konzentrierten sich viele auf margenstarke Kundengruppen, statt Preise weiterzugeben.

"Familienunternehmen müssen die Krise kontextsensibel analysieren, anstatt auf universelle Standardlösungen zu setzen", betont Kuttner. Auch branchenspezifische Unterschiede sind entscheidend: Während Gastronomie und Hotellerie extrem unter Corona litten, konnten Lebensmittelhändler sogar von den Beschränkungen profitieren. Auch der Bau war weniger betroffen, kämpfte aber mit Materialknappheit und Preissteigerungen.

Doch Familienunternehmen haben ebenso ihre Schwächen: Enge Mitarbeiterbeziehungen können dazu führen, dass notwendige Entlassungen zu lange hinausgezögert werden. Tradition kann in Beharrungstendenzen münden nach dem Motto "Das haben wir schon immer so gemacht".

Warnsignale für mangelnde Resilienz seien familiäre Konflikte, blockierte Entscheidungsprozesse, finanzielle Überdehnung oder das Festhalten an unrentablen Strukturen. "Wenn zu viele Familienmitglieder mitreden wollen, entstehen langsame oder gar keine Entscheidungen", warnt Kuttner.

Aus der von ihm mitgeführten Studie leitet Michael Kuttner konkrete Empfehlungen ab: Familienunternehmen sollten bewusst finanzielle Polster aufbauen und langfristig denken, statt kurzfristig zu sparen. Personalabbau und/oder Innovationsverzicht könnten mittelfristig mehr schaden als helfen. Wichtig sei, Beziehungen zu Stakeholdern aktiv zu pflegen und Sozialkapital als strategische Ressource zu verstehen.

Zudem empfiehlt Michael Kuttner, klare Governance-Strukturen zu schaffen und Entscheidungsprozesse zu entflechten. "Resilienz darf nicht dem Zufall überlassen werden", mahnt er. Bewährte Strategien müssten dokumentiert und als Teil der Familienstrategie verankert werden. Digitalisierung und Produktqualität wirkten als weitere Stabilitätsfaktoren.

Die Erkenntnisse der Studie sind für Österreich von nicht zu unterschätzender Bedeutung: Rund 90 Prozent aller heimischen Unternehmen sind Familienunternehmen. Sie tragen in Krisenzeiten zur Versorgungssicherheit bei, fördern soziale Stabilität und erhöhen wirtschaftliches Durchhaltevermögen. Ihre Fähigkeit, Krisen zu überstehen, ohne sofort zu entlassen oder zu schließen, dämpft gesamtwirtschaftliche Schocks. Bei diesen Punkten sind sich nahezu alle Expertinnen und Experten einig.

Für die Studie befragten die Forschenden 18 österreichische kleine und mittlere Familienunternehmen aus verschiedenen Branchen. "In einer Zeit, in der multiple Krisen zur Normalität werden, ist diese Widerstandsfähigkeit mehr denn je gefragt", resümiert Kuttner.

Die Forschungsergebnisse sollen nun in die Praxis getragen werden - damit österreichische Familienunternehmen auch künftige Stürme unbeschadet überstehen.