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"Osteoporose wird oft zu spät diagnostiziert"

Ein Bruch kann ein Alarmsignal für eine osteoporotische Erkrankung sein. Worauf man achten sollte und wie sich vorbeugen lässt.

Ab dem 50. Lebensjahr und bei Frauen insbesondere nach der Menopause ist es ratsam, bei Ärztin oder Arzt das persönliche Osteoporoserisiko einschätzen zu lassen.
Ab dem 50. Lebensjahr und bei Frauen insbesondere nach der Menopause ist es ratsam, bei Ärztin oder Arzt das persönliche Osteoporoserisiko einschätzen zu lassen.

"Das Problem ist, dass Osteoporose nicht wehtut", sagt Katharina Kerschan-Schindl, Ärztin für Physikalische Medizin und Rehabilitation an der Medizinischen Universität Wien. Der Prozess der Abnahme von Masse und Qualität in den Knochen gehe völlig unbemerkt vonstatten. Bemerkbar mache sich die Osteoporose häufig erst mit dem ersten Knochenbruch. "Da sprechen wir nicht von jenem Bruch, wenn jemand beim Äpfelpflücken vom Baum fällt. Das wäre ein traumatischer Bruch, der natürlich auch ohne Osteoporose passieren kann", grenzt Kerschan-Schindl das Krankheitsbild ein, "aber wenn man aus dem Stand stürzt oder gar nur vom Sessel rutscht und sich dann schon etwas bricht, ist das ein Alarmzeichen."

Alarmzeichen für Osteoporose: Typische Bruchstellen und Schrumpfung

Typische Stellen für Knochenbrüche durch eine Osteoporose seien an den Ober- und Unterarmen, Wirbelkörpern und der Hüfte. Auch wenn die Körpergröße einer Person stark abnehme, handle es sich um ein deutliches Alarmsignal. "Wenn mir eine Patientin sagt, sie sei 1,68 Meter groß, und ich stelle beim Messen fest, dass es nur mehr 1,60 Meter sind, kann das ein Hinweis auf einen Wirbelkörperbruch sein", erklärt Kerschan-Schindl, "ein solcher kann wehtun oder aber stumm und schmerzfrei verlaufen, sodass die Betroffenen das gar nicht mitbekommen."

Osteoporose in Österreich: Alarmierende Zahlen und Geschlechtsunterschiede

Die Knochenerkrankung Osteoporose ist weitverbreitet. In Österreich sind 550.000 Menschen betroffen, die pro Jahr 110.000 Frakturen erleiden. "Das sind 300 Frakturen am Tag, 12 Frakturen pro Stunde! Das muss man sich einmal vor Augen führen." 80 Prozent der Betroffenen sind Frauen. Diese seien deshalb so viel häufiger von der Erkrankung betroffen, weil sie von Haus aus eine geringere Ausgangsmasse in ihren Knochen tragen, die in den Wechseljahren durch das fehlende Hormon Östrogen noch stärker abfalle.

"Noch zu wenig Aufklärung bei osteoporotischen Brüchen."
Katharina Kerschan-Schindl
Ärztin für Physikalische Medizin und Rehabilitation.

Osteoporose-Prävention: Risikofaktoren erkennen und behandeln lassen

Ab dem 50. Lebensjahr wird empfohlen, so Kerschan-Schindl, ein mögliches erhöhtes Risiko für Osteoporose ärztlich abklären zu lassen. "In der sogenannten FRAX-Analyse wird ein klinischer Risikobogen ausgefüllt. Da geht es um das genetische Risiko, um Vorerkrankungen, Medikamente, die eingenommen werden, und Lebensstilfaktoren", erklärt die Ärztin, "diese Analyse kann primär auch ohne Knochendichtemessung gemacht werden."

Wenn eine Frau den Wechsel schon hinter sich habe und berichte, dass ihre Mutter bereits einen Oberschenkelhalsbruch erlitten habe, sei das ein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko, "da ist es sinnvoll, dieses Risiko abzuklären und wenn notwendig weitere Maßnahmen zu ergreifen." Wenn ein einst gesunder Mensch im Laufe der Jahre Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes entwickle, so erhöhe sich wiederum häufig auch das Risiko osteoporotischer Knochenbrüche. "Auch, wenn eine Person über einen längeren Zeitraum Kortison nehmen muss, sollte das Knochenbruchrisiko beim Arzt abgeklärt werden." Je nach Höhe des Risikos gebe es unterschiedliche medizinische Maßnahmen. "Bei einem hohen Risiko gibt es spezifische Medikamente, die den Knochenstoffwechsel drosseln und damit die Abnahme der Knochenmasse reduzieren", erläutert Kerschan-Schindl, "bei einem sehr hohen Risiko steht uns auch die Möglichkeit zur Verfügung, mithilfe einer osteoanabolen Therapie neuen Knochen aufzubauen. Das neueste Medikament weist sogar einen dualen Mechanismus auf, reduziert den Abbau der Knochenmasse und steigert den Knochenaufbau. Daraus ergibt sich ein besonders großer Effekt."

Gesunder Lebensstil gegen Osteoporose: Ernährung & Sport

Mit einem gesunden Lebensstil lasse sich der Osteoporose in vielen Fällen gut vorbeugen, sagt Kerschan-Schindl. "Die Grundvoraussetzung für gesunde Knochen ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung mit ausreichend Proteinen aus magerem Fleisch, Fisch, Milchprodukten, Eiern und Hülsenfrüchten sowie ausreichend Kalzium und Vitamin D." Ein erwachsener Mensch benötige ein Gramm Kalzium am Tag. Kalziumquelle seien vornehmlich Milchprodukte. Die Ernährung sowie der UV-Anteil der Sonneneinstrahlung im Winter reiche oft nicht aus, um ausreichend Vitamin D bilden zu können, "das lässt sich dann mit entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln ausgleichen".

Auch körperliche Bewegung und eine regelmäßige mechanische Belastung spielten eine große Rolle für die Knochengesundheit. "Das beginnt schon beim Knochenaufbau in der Kindheit und Jugend und setzt sich das gesamte weitere Leben fort." Um die Knochenmineralisierung zu verbessern, sei besonders Krafttraining geeignet. "Ausdauersport fördert eher das kardiovaskuläre System, das Training mit Gewichten sowie Bewegungen mit hoher Gewichtsbelastung, beispielsweise Springen, setzen im Körper Impulse zur Verbesserung der Knochenfestigkeit." Auch ein regelmäßiges Gleichgewichtstraining sei dringend anzuraten, um das Sturzrisiko zu reduzieren.

Handlungsbedarf in Österreich

In Bezug auf die aktuelle Behandlung von osteoporotischen Knochenbrüchen sieht Kerschan-Schindl in Österreich einen großen Handlungsbedarf: "Nur einer von zehn Männern und weniger als zwei von zehn Frauen erhalten nach einem osteoporotischen Bruch eine spezifische Behandlung und die entsprechende Aufklärung zu ihrer Erkrankung, der Osteoporose." Dadurch komme es in vielen Fällen sehr rasch zu weiteren Knochenbrüchen. "Ich sehe immer wieder Patientinnen und Patienten, die sich innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne mehrere Brüche zuziehen. Brüche bedeuten Schmerzen, eventuell den Verlust von Selbstständigkeit, eine erhöhte Sterblichkeit und natürlich auch Kosten für das Gesundheitssystem. Mit einer angemessenen Sekundärprophylaxe - am besten im Rahmen eines integrierten Versorgungssystems - könnten viele Brüche, viel Leid verhindert werden."