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Gehalt: "Leben ist Verhandlung"

Mehr Gehalt. Gerade Frauen scheuen sich, große Zahlen auszusprechen. Das muss nicht so sein.

Frauen stehe in Gehaltsverhandlungen oft zu wenig für sich ein.
Frauen stehe in Gehaltsverhandlungen oft zu wenig für sich ein.

Die erste Person, mit der man in Verhandlung tritt, wenn es um das eigene Gehalt geht, ist man selbst. "Denn der Selbstwert bestimmt den Marktwert", weiß Silke Annina Hofer. Der Unternehmensberaterin und Persönlichkeitsentwicklerin steckt das Verhandeln im Blut: Schon als Kind diskutierte sie jedes Jahr zu Silvester mit ihren Eltern aus, warum sich ihr Taschengeld im kommenden Jahr erhöhen sollte. Zwanzig Jahre lang war Hofer im Handel als Einkäuferin und Führungskraft tätig, verhandelte Millionenbudgets, bevor sie sich 2022 selbstständig machte: "Irgendwann hatte ich gemerkt, dass ich mehr mit Excel-Listen und Meetings beschäftigt war. Zur eigentlichen Führungsarbeit bin ich nicht mehr gekommen. Dabei ist eine meiner größten Fähigkeiten, dass ich den wahren Wert von Menschen erkenne."

Frauen führen seltener Gehaltsverhandlungen als Männer

Mit ihrem Unternehmen You are Gold unterstützt sie nun vor allem Frauen, "die ein Supertalent haben, aber ihren wahren Wert nicht erkennen und zu tief stapeln", dabei, als Angestellte ihr Wohlfühl-Gehalt zu erreichen oder als Selbstständige ihr Wohlfühl-Pricing festzulegen. Die beste Arbeitsleistung, Ausbildung und Positionierung helfen nämlich nichts, wenn man in Gehaltsverhandlungen zu wenig für sich einsteht, ist die ausgebildete Wirtschaftswissenschafterin überzeugt: "Viele Frauen wurden erzogen, bescheiden zu sein und nur nicht zu viel zu fordern." Tatsächlich haben sich laut einer LinkedIn-Studie aus dem Jahr 2021 41 Prozent der befragten Frauen noch nie zugetraut, das Gehalt mit einem neuen Arbeitgeber zu verhandeln oder im Job nach mehr Geld zu fragen. Unter den Männern trifft das auf gerade einmal ein Viertel zu.

Deshalb ist es aus Hofers Sicht so wichtig, "die Magie der Verhandlung" zu aktivieren und weg von der Vorstellung zu kommen, Verhandlungen seien etwas Ernstes, Hartes: "Das ganze Leben ist Verhandlung, mit sich selbst und der Außenwelt, vom Gehalt bis hin zu, wie man sich die Kindererziehung mit dem Partner aufteilt. Verhandlungen dürfen mit Leichtigkeit und Freude passieren." Die Methode der Beraterin ist ein Mix aus transformierenden Mindset-Methoden und praktischen Ansätzen, selbstwert- und marktwertsteigerndem Styling sowie wissenschaftlich fundierten Verhandlungstools.

Die Arbeit am Selbstwert ist für Gehaltsgespräche unumgänglich

"Was ich über mich selbst denke, trage ich in Sekundenschnelle nach außen", weiß Hofer und rät: "Im Gehaltsgespräch muss ich mit allem, was ich bin, Wertigkeit vermitteln. Von der Kleidung, die den Typ unterstreicht und keinesfalls in den Farben der Konkurrenz sein darf, bis hin zum hochwertigen Stift und Notizbuch." Auch Symbole, die den eigenen Beruf unterstreichen, seien hilfreich, wie das Stethoskop, das die Ärztin umgehängt hat. Langfristig sei die Arbeit am Selbstwert unumgänglich, kurzfristig könnten Mentalübungen und eine ruhige Atmung helfen: "Wichtig ist, dass ich in voller Stärke in das Gespräch hineingehe. Denn Angst zieht Angst an."

"Der Selbstwert bestimmt den Marktwert."
Silke Annina Hofer,
Unternehmensberaterin und Coach

Entschieden werde immer emotional: "Mein Verhandlungspartner muss mich sympathisch finden, mir vertrauen können." In der Vorbereitung sei es daher wichtig, sich auf das zu konzentrieren, was vereint, nicht trennt. "Die besten Verhandlungen gelingen, wenn ich viel frage, auf das Gegenüber eingehe, seine Ängste und Sorgen entlaste. Gleichzeitig sind wir in einem wirtschaftlichen Kontext: Es ist wichtig, eigene Erfolge zu benennen, objektiv messbar zu machen."

Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Gehaltsverhandlung?

"Es ist immer der beste Zeitpunkt", so Hofer. Welche Gehaltsforderung angemessen ist? Die Expertin rät: "Hoch ankern - natürlich begründet und aus voller Überzeugung. Das ist der Wert, von dem aus weiterverhandelt wird. Viele sind überrascht, dass sie dann tatsächlich bekommen, was sie fordern." Wie aber auf das Totschlagargument "kein Budget" reagieren? "Man muss wissen, dass ,Budget' eine fiktive Zahl ist, die sich ein Unternehmen gesetzt hat", sagt Hofer. "Man kann bitten, im nächsten Jahr dementsprechend mehr einzuplanen oder noch einmal nachzuschauen, ob Budget freigeworden ist, etwa durch Fluktuation oder Umstrukturierung." Geld sei im Übrigen nur ein Parameter, genauso könne man sich auf mehr Urlaubswochen, eine Ausbildung oder Zusatzleistungen einigen - oder andere Optionen am Markt prüfen.

Der größere Hebel sind für Silke Annina Hofer übrigens Verhandlungsseminare und Coachings, die sie Betrieben anbietet: "Unternehmen können von Beschäftigten, die ihren wahren Wert erkennen und gut verhandeln können, nur profitieren. Dadurch setzen sich intern die besten und nicht die lautesten Ideen durch. Genauso ist es im Umgang mit dem Kunden von Vorteil." In Zeiten des Fachkräftemangels sei ein angemessenes Gehalt außerdem eine wichtige Geste der Wertschätzung: "Der Mensch muss im Vordergrund stehen. Commitment ist erfolgversprechender als Kurzfristigkeit und Kennzahlen."