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Bauteilaktivierung bei Bestandsbauten: Halleiner Altbau als Klimamusterschüler

Mit den Auswirkungen des Klimawandels wird das energieeffiziente Heizen und Kühlen von Bestandsgebäuden immer wichtiger. In Hallein wurde ein Altstadthaus schon vor 17 Jahren erfolgreich bauteilaktiviert. Ein Lokalaugenschein.

Architektin Eva Habersatter-Lindner mit Gunther Graupner von der Zukunftsagentur Bau.
Architektin Eva Habersatter-Lindner mit Gunther Graupner von der Zukunftsagentur Bau.
Mittelalterliches Flair in der Halleiner Altstadt.
Mittelalterliches Flair in der Halleiner Altstadt.
Architektin Eva Habersatter-Lindner mit Gunther Graupner von der Zukunftsagentur Bau.
Architektin Eva Habersatter-Lindner mit Gunther Graupner von der Zukunftsagentur Bau.

Bei Neubauten ist Bauteilaktivierung mittlerweile ein großes Thema, weil sie energieeffizient und günstig im Verbrauch ist - beim Heizen im Winter wie beim Kühlen im Sommer. Im Prinzip funktioniert Bauteilaktivierung wie eine Fußbodenheizung. Nur werden dabei die Außenwände oder Decken von einem Leitungsnetz durchzogen. Durch sie fließt Wasser, das je nach Jahreszeit Wärme abgibt oder aufnimmt, um das Gebäude gleichmäßig zu temperieren. Die Bauteile aus Beton - und immer öfter auch aus Holz - werden so zu großen Heiz- oder Kühlakkus eines Hauses, ersetzen Heizkörper ebenso wie die Klimaanlage. Das sorgt für ein angenehmes Raumklima und ist ideal für den Einsatz von erneuerbaren Energien.

Bauteilaktivierung: bei Neubauten fast schon Standard, bei Bestandsbauten noch in den Kinderschuhen

"Bei Neubauten ist Bauteilaktivierung vor allem in Ostösterreich mittlerweile Standard, vor allem wegen der einfachen und effektiven Möglichkeit, im Sommer zu kühlen. Einen Raum um einen Grad abzukühlen, benötigt vier Mal so viel Energie, wie ihn um einen Grad aufzuheizen", sagt Gunther Graupner, Geschäftsführer der Zukunftsagentur Bau an der Bauakademie Salzburg. "Im Unterschied zum Neubau kommt die Bauteilaktivierung bei Bestandsbauten kaum in die Gänge. Dabei wäre das dringend erforderlich. Vom 38-Prozent-Anteil des Gebäudesektors an den weltweiten Emissionen von CO₂ sind 28 Prozent Bestandsbauten. Noch konzentriert sich aber alles auf die Neubauten, obwohl die mittlerweile energetisch voll ausgereizt sind. Mit dem Bestand haben wir den weitaus größeren Hebel in Richtung Klimaneutralität. Dieses wichtige Potenzial wird nicht erkannt."

Perle der Altstadt
Eva Habersatter-Lindner hat als Mitglied der Salzburger Altstadterhaltungskommission immer wieder mit alter Bausubstanz zu tun. Für sich selbst kaufte sie 2008 den dritten und vierten Stock eines Halleiner Altstadthauses aus dem 13. Jahrhundert. Durch das Stiegenhaus muss man leicht gebückt über unterschiedlich hohe Stufen zum zweiten Stock hinaufsteigen. Bis hierhin liegt die Rückseite des Gebäudes in Fels und Erde des Halleiner Dürrnbergs.

Bauteilaktivierung funktioniert bei der Altbauwohnung von Eva Habersatter-Lindner schon seit 17 Jahren.
Bauteilaktivierung funktioniert bei der Altbauwohnung von Eva Habersatter-Lindner schon seit 17 Jahren.

In den vierten Stock - einst Dachboden - gelangt man im bergseitigen Teil des Hauses über eine schmale Holztreppe. Oben angekommen ist man überrascht von dem lichten und weiten "Penthouse", das nach Westen einen kleinen, steilen Garten in Richtung Dürrnberg hat und nach Norden den Blick über die Halleiner Dächer bis zur Salzburger Festung freigibt.

Die von außen reizvolle Giebel- und Dächerlandschaft, die im Laufe der Jahre durch verschiedene Zu- und Anbauten entstanden ist, wollte Eva Habersatter-Lindner bei der Adaption ihrer Wohnung ebenso bewahren wie die Altstadtfassade im zweiten Stock. Eine Dämmung kam nicht infrage. "Alte Gebäude wie dieses haben dank ihrer massiven Mauern eine hohe Speicherkapazität. Hier etwas draufzukleben, wäre sinnlos. Das sieht man an einer unbeheizten Wohnung im zweiten Stock unseres Hauses. Die Raumtemperatur sinkt das ganze Jahr nie unter 16 Grad ab. Die umliegenden, bewohnten Wohnungen und der Fels auf der Rückseite reichen aus, um die Temperatur zu halten." Bauteilaktivierung war für Eva Habersatter-Lindner die logische Konsequenz auch bei ihrer eigenen Wohnung: "Meine Erfahrung als Architektin und Baumeisterin sagte mir, dass das funktioniert. Man braucht nur einen Profi-Installateur, der sich darauf einlässt."

An den Innenwänden wurden in den Ecken und um die Fenster herum Rohre verlegt, durch die in der Heizsaison warmes Wasser fließt. So gelang es, die Feuchtigkeit und den Schimmel völlig aus den Problemzonen der bis zu 80 Zentimeter starken Außenwände zu bringen.

Heizkosten sparen ohne Dämmung
Außerdem darf sich Eva Habersatter-Lindner über einen halb so hohen Energieverbrauch freuen, wie im Energieausweis ausgerechnet wurde, erzählt Gunther Graupner von der Zukunftsagentur Bau: "Frau Habersatter verbraucht tatsächlich 58 Prozent weniger Energie. Durch die überhöhten Berechnungen im Energieausweis gab es allerdings eine schlechtere Energieeffizienzklasse und damit keine Förderung. Und sollte die Wohnung einmal vermietet werden, wird es mit diesen Werten im Energieausweis möglicherweise ebenfalls schwierig, Interessenten zu finden."

Den Ursachen der Fehlberechnung ging die Zukunftsagentur Bau gemeinsam mit der Abteilung Intelligente Energiesysteme an der Fachhochschule Salzburg schon vor Jahren auf den Grund. Da zeigte sich, dass die Speicherfähigkeit von massiven Wänden ignoriert wurde: "Derzeit gehen Energieausweisberechnungen davon aus, dass Wärme nicht gespeichert wird, dass also eine innen auf 22 Grad temperierte Wand auch an der Außenseite 22 Grad hat und diese an die Umgebung verliert." Dabei wiesen die aufwendigen Messungen an den Außenwänden der Habersatter-Wohnung bereits 2015 eindeutig nach, dass die Wärme der aktivierten Bauteile keinesfalls nach außen verloren geht. Selbst bei Außentemperaturen um -5 Grad Celsius blieb die Oberflächentemperatur an den Innenwänden konstant bei +20 Grad. "Dicke Steinmauern speichern also sehr wohl", sieht sich Eva Habersatter-Lindner bestätigt. "Es wäre daher sinnvoll, dafür einen Faktor in die Berechnung des Energieausweises einzubringen."

Dynamisches Rechenverfahren
Schon bald könnte es so weit sein: "Mit einer der nächsten EU-weiten Änderungen werden Energieausweisberechnungen endlich nicht mehr statisch, sondern dynamisch erfolgen", prognostiziert Gunther Graupner: "Dann wird auch die Speichermasse einbezogen. Außerdem sollte man dabei gleich berücksichtigen, dass sich bei Bauteilaktivierung das Verhalten der Wand verändert. Der Wärmedurchgangswert ist bei einer feuchten Wand schlechter als bei einer trockenen. Bauteilaktivierung trocknet die Wände aus und senkt damit die Wärmeverluste zusätzlich."