Lehmbau wird noch immer oft unterschätzt: Als simple Billiglösung wurde er in vergangenen Jahrhunderten gesehen, für Leute, die sich keine gebrannten Ziegel leisten konnten. Doch das ändert sich heute. Eine gut durchdachte Lehmbauweise, oft auch in Kombination mit anderen natürlichen Baustoffen wie Holz, Stroh oder Hanf, kann nämlich ganz besonders hohen Wohnkomfort ermöglichen - mit ausgezeichneter Regulierung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit.
Lehm aus dem Aushub für Bau verwenden
Das Aushubmaterial einer Baugrube besteht oft zu einem großen Teil aus Lehm, der ohne Probleme zu diversen Lehmbauprodukten verarbeitet werden könnte. Dass das bisher kaum passiert, liegt unter anderem an den rechtlichen Rahmenbedingungen: Lange Zeit galt der Aushub der Baugrube automatisch als Abfall und musste entsorgt werden. Nach einem EuGH-Urteil von Ende 2022 ist das nun nicht mehr so, das könnte den Aufschwung des Lehmbaus nun deutlich beschleunigen. An der TU Wien wird derzeit daran geforscht, wie man Lehm für moderne Bauprojekte am besten einsetzen könnte.
Bei der Österreichischen Lehmbautagung, die von der TU Wien mitorganisiert wurde, diskutierten kürzlich Lehmbau-Profis aus der universitären Forschung und der industriellen Praxis, wie man den Baustoff Lehm aus seinem Nischendasein befreien könnte. "Lehm wird überall auf der Welt für Gebäude verwendet, und das seit Jahrtausenden", sagt Andrea Rieger-Jandl vom Institut für Kunstgeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege. "Schon beim Grab von Pharao Ramses II. wurden Lehmziegel verwendet. Man findet alte Lehmbauten in China, in Südamerika und auch in Österreich."
Lehmbauweise klimaeffizenter als Ziegel- und Betonbau
Erst mit dem verstärkten Einsatz von Kohle sanken die Kosten für gebrannte Ziegel und so setzte sich in unseren Breiten die Ziegelbauweise durch.
Aus Klimaschutzgründen ist das ein Problem, denn die Ziegelproduktion ist extrem energieintensiv, mehr noch als der Betonbau. Bei der Herstellung von Beton hat man zusätzlich zum hohen Energieaufwand auch noch das Problem, dass bei der Umwandlung von Kalkstein in Zement zwangsläufig große Mengen an CO2 abgeschieden werden. "Zement ist in der Herstellung so CO2-intensiv, dass die Produktion für ungefähr acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist", sagt Rieger-Jandl. "Bei der Erzeugung von Ziegeln versucht man heute, die CO2-Emissionen zu reduzieren, bei Beton ist klar, dass prinzipiell keine CO2-Neutralität erreicht werden kann."
Ungebrannter Lehm nimmt Feuchtigkeit auf
Die ausgezeichnete Klimabilanz ist für die Expertin aber nicht das einzige Argument, das für Lehmbau spricht: "Wir untersuchen seit Jahren Lehmbauten auf der ganzen Welt und dabei zeigt sich: Man kann mit ungebranntem Lehm einen ganz ausgezeichneten Wohnkomfort erreichen", sagt Rieger-Jandl. "Ähnlich wie Ziegel können Wände aus Lehm die Temperatur gut speichern. Wenn man zum Beispiel im Winter den Raum kurz lüftet, ist er danach sehr schnell wieder warm, weil die Wände nicht auskühlen."