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Depressionen: "Ich hatte in dieser Zeit mein Lachen verloren"

Die Pandemie fordert die psychische Gesundheit: Die Zahl jener, die von Depressionen betroffen sind, stieg um 25 Prozent. Eine Frau erzählt von ihrem Leidensweg. Eine Psychotherapeutin gibt Tipps, wie man die mentale Gesundheit stärken kann.

Frauen erhalten die Diagnose Depression häufiger als Männer.
Frauen erhalten die Diagnose Depression häufiger als Männer.

Ihr ganzes bisheriges Leben lang war Alexandra Fink-Sailer Kapitänin ihres eigenen Schiffs, wie sie sagt. Dann kam die Pandemie. Und die Salzburgerin verlor die Kontrolle über das Ruder. Aufgrund der Maßnahmen musste die Hotelierin ihren Betrieb in Obertauern zeitweilig schließen. Zukunftsängste bestimmten ihren Alltag. Die seelische Belastung wurde zu groß. Die 54-Jährige litt zunehmend an Antriebslosigkeit, konnte sich über nichts mehr freuen.

So wie Fink-Sailer sind viele Menschen in den vergangenen zwei Jahren Pandemie in eine Depression geschlittert. Die Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlichte im Juni einen Bericht, dem zufolge die Anzahl an Personen mit Depressionen und Angststörungen im ersten Coronajahr weltweit um 25 Prozent gestiegen ist. Fast eine Milliarde Menschen leben demnach mit einer psychischen Krankheit. In Österreich schätzt man, dass rund jede und jeder Fünfte im Laufe des Lebens an einer Depression erkrankt.

"Depressionen kommen meist schleichend", sagt Pädagogin und Psychotherapeutin Christa Renoldner im SN-Podcast. Erste Anzeichen: Dinge, die einem Freude bereitet hätten, würden das auf einmal nicht mehr tun. Sich aufzuraffen falle einem zunehmend schwerer. "Dramatisch wird es, wenn man anfängt, mit dem Leben zu hadern, das ist die höchste Alarmstufe", sagt Renoldner. Wichtig sei dann der Weg zu einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten.

Angst vor dem Rückfall

Bei leichten Depressionen sei diese Therapie oft ausreichend, sagt die Expertin. "Da schaden Medikamente manchmal eher." Schwere Depressionen werden hingegen durch eine Kombination aus medikamentöser Therapie und Psychotherapie behandelt. "Aber selbst schwere Depressionen gelten heutzutage als heilbar bzw. behandelbar", sagt Renoldner.

Auch Fink-Sailer ließ sich psychotherapeutisch behandeln und erhielt sogenannte Stimmungsaufheller. "Es war schön, nach einem Dreivierteljahr wieder lachen zu können", erzählt sie. Das sei ihr während ihrer depressiven Zeit abhandengekommen. Die Therapie setzte sie im April ab. Eine Sorge bleibt jedoch: "Ich habe das Gefühl, dass das Gefährdet-Sein bleibt", sagt Fink-Sailer. Besonders in Stresssituationen komme in ihr die Angst hoch, einen Rückfall zu erleiden.

Kleinere Rückfälle und sogenannte Flashbacks könnten durchaus vorkommen, sagt Psychotherapeutin Renoldner. "Wenn an der Wurzel einer Depression ein Trauma steht und man daran erinnert wird, kann man da wieder hineinrutschen", sagt sie. Denn: Ein Trauma sei nicht löschbar. In der Traumatherapie würden einem aber Tipps gegeben, mit solchen Situationen umzugehen und "schnell wieder auszusteigen".

Alexandra Fink-Sailer fasste irgendwann den Beschluss, offen mit ihrer Erkrankung umzugehen. Als die SN im Herbst 2021 über sie berichteten, hätten sich viele Bekannte bei ihr gemeldet. Die Reaktionen seien durchaus positiv gewesen. Darüber hinaus habe sie dadurch erst erfahren, wie viele Menschen in ihrem Umfeld auch mit psychischen Problemen zu kämpfen hatten oder immer noch haben, sagt sie.

Frauen häufiger von Depressionen betroffen?

Frauen erhalten laut dem Gesundheitsportal des Sozialministeriums häufiger als Männer die Diagnose Depression. Als Risikofaktoren bei Frauen gelten dabei die schlechtere finanzielle Situation, der Stress durch Mehrfachbelastung von Beruf und Familie, eine geringe soziale Unterstützung, verminderter Selbstwert oder Gewalterfahrungen. Auch Psychotherapeutin Renoldner beobachtet, dass psychische Erkrankungen wie Depressionen bei Frauen häufiger vorkommen. "Ich vermute aber auch, dass Frauen es sich früher eingestehen", sagt sie. Frauen würden früher lernen, über Gefühle zu reden. Es sei auch bekannt, dass Frauen schneller fachliche Hilfe aufsuchen.

Umgekehrt hätten Frauen aber auch mehr Mittel an der Hand, um mit psychischen Erkrankungen umzugehen, sagt die Expertin. Damit meint sie vor allem Werkzeuge der sogenannten Resilienz - der Kraft zum Widerstand in psychologischen Krisen und anhaltenden, schweren Stresssituationen.

Zu den sogenannten Resilienzfaktoren zählen etwa eine gesunde Ernährung, körperliche Bewegung oder auch soziale Kontakte. Dabei zeigt sich: "Frauen haben mehr Freundinnen als Männer", sagt Renoldner. Über Probleme mit engen sozialen Kontakten zu sprechen helfe in schwierigen Situationen. Und: Dankbarkeit. "Das kann alles Mögliche betreffen: Man könnte versuchen, einfach dankbar dafür zu sein, dass die Sonne scheint oder einem Kaffeeduft in die Nase steigt", sagt die Psychotherapeutin.

Drei Tipps für mentale Gesundheit

Wenn jemand in den vergangenen Jahren zu Renoldner in die Praxis kam und die Diagnose Depression erhielt, gab sie vor allem drei Tipps mit auf den Weg. Diese könne jeder und jede - auch präventiv - für die mentale Gesundheit beachten: "Ein Mal am Tag hinausgehen und sich bewegen. Ein Mal am Tag einen guten sozialen Kontakt aufsuchen. Und etwas tun, das einem Freude bereitet - etwa Singen oder Malen."

Das nahm sich auch Alexandra Fink-Sailer zu Herzen: "Für mich war es hilfreich, dass ich wieder begonnen habe zu malen", erzählt sie. Kreativ zu sein sei für sie eine wichtige Therapie gewesen. "Die große Herausforderung bleibt, zu erkennen, dass es sich wirklich um eine Depression handelt", sagt sie. Deshalb wünsche sie jeder Betroffenen und jedem Betroffenen gute Freunde, die einen wachrütteln. "Wenn man es benennen kann, fällt es einem leichter, damit umzugehen."

Beim SN-Podcast "Die gefragte Frau" startet ab sofort donnerstags die sechsteilige Serie "Frauengesundheit". Nächste Woche: Wie Hormone unseren Alltag beeinflussen.

Bild: SN/stephanie rausch
Man hat das Gefühl, das Steuer nicht mehr in der Hand zu haben
Alexandra Fink-Sailer, Hotelierin

"Ich hatte wirklich dunkle Gedanken in dieser Zeit", erzählt sie in der Spezialausgabe "Frauengesundheit" des SN-Podcasts "Die gefragte Frau". "Ich habe mich manchmal sogar dabei erwischt, wie ich mir dachte: ,Wenn ich morgen nicht mehr aufwache, dann ist es wenigstens vorbei.'" An eine Depression dachte die zweifache Mutter zunächst überhaupt nicht. In ihrem Leben habe es bis dahin nie Berührungspunkte mit psychischen Erkrankungen gegeben.

Eine gute Freundin Fink-Sailers rüttelte sie schließlich auf. "Sie hat mich zum Spazieren eingeladen. Wir haben uns dann auf eine Bank gesetzt und sie hat zu mir gesagt: ,Das ist nicht normal. Das sind Depressionen.'"

Bild: SN/ursula lindenbauer
Sogar schwere Depressionen gelten heutzutage als heilbar bzw. behandelbar
Christa Renoldner, Pädagogin und Psychotherapeutin

Podcaststaffel zur Frauengesundheit

Ab 11. August behandeln die "Salzburger Nachrichten" in einer Spezial-Staffel des Podcasts "Die gefragte Frau" das Thema Frauengesundheit aus verschiedensten Blickwinkeln. Neben der mentalen Gesundheit erfahren die Zuhörerinnen und Zuhörer in sechs Folgen unter anderem, welche Rolle die Hormone im weiblichen Körper spielen, welche Mythen es rund um die Schwangerschaft gibt und wie weit die Wissenschaft im Bereich der Brustkrebsvorsorge ist.

Bei Fragen, Rückmeldungen und Anregungen sind die Redakteurinnen unter podcast@sn.at erreichbar.

Die Podcaststaffel ist entweder hier im Player oder auf allen gängigen Podcastplattformen (Spotify, Deezer, etc.) zu hören.