Gemeinderatswahlen in der Stadt Salzburg von 1850 bis 1918
Wahlen zum Gemeinderat der Stadt Salzburg gab es in der Zeit der österreichischen Monarchie ab 1850.
Wahlrecht
Wahlrechtssystem
Das Revolutionsjahr 1848 hatte den Weg für ein verfassungsmäßiges Wahlrecht der Staatsbürger zu den allgemeinen Vertretungkörpern (im Wesentlichen das Abgeordnetenhaus des Reichsrats auf Gesamtstaatsebene, der Landtag auf Landesebene und die Gemeinderäte bzw. Gemeindevertretungen auf Gemeindeebene) bereitet. Es gab aber noch kein allgemeines und gleiches Wahlrecht, sondern zunächst ein Kurienwahlrecht mit Elementen eines Zensuswahlrechts:
- Kurienwahlrecht bedeutet, dass die Wählerschaft nach bestimmten Merkmalen in Kurien eingeteilt ist und jede Kurie die für sie festgesetzte Anzahl von Vertretern wählt (was die Möglichkeit bietet, privilegierte kleine Gruppen von Wahlberechtigten dadurch zu bevorteilen, dass ihnen gleich viele Mandate zugeteilt werden wie großen Gruppen).[1]
- Zensuswahlrecht bedeutet, dass die Wahlberechtigung von einer bestimmten Steuerleistung abhängig gemacht wird (und allenfalls höhere Steuerklassen überproportional vertreten werden), also arme Bevölkerungsschichten überhaupt vom Wahlrecht ausgeschlossen werden.[2]
Wahlordnung 1850
Wahlberechtigte
Im Jahr 1850 wurde für die Landeshauptstadt Salzburg, ähnlich wie für andere Landeshauptstädte und sonstige Statutarstädte, eine provisorische Gemeindeordnung erlassen.[3] In dieser Gemeindeordnung wurde die Wahlberechtigung (das aktive Wahlrecht) so geregelt,[4] dass die Wahlberechtigung
- einerseits bestimmten Personengruppen zuerkannt wurde, im Wesentlichen den althergebrachten Gemeindebürgern, den Beamten, den Offizieren der Militia stabilis, den katholischen Pfarrern, den Doktoren aller Fakultäten, die ihren akademischen Grad an einer inländischen Lehranstalt erhalten hatten, sowie den Angestellten ordentlichen Lehrer und Professoren der öffentlichen Lehranstalten;
- andererseits von der Leistung direkter Steuern in bestimmter Höhe: Wahlberechtigt waren danach diejenigen, die von einem im Gemeindegebiet gelegenen Haus oder Grundstück oder von einem im Gemeindegebiet betriebenen Gewerbe oder Erwerb eine direkte Steuer von wenigstens fünf Gulden Conventionsmünze oder von einem anderweitigen Einkommen eine Einkommensteuer von wenigstens zehn Gulden Conventionsmünze entrichteten (und damit nicht im Rückstand waren).
Wahlkörper
Der Salzburger Gemeinderat hatte 30 Mitglieder. Die Wahlberechtigten waren in drei Wahlkörper eingeteilt, deren jeder zehn Gemeinderatsmitglieder zu wählen hatte. Dabei bildeten[5]
- den ersten Wahlkörper die Steuerpflichtigen mit einer direkten Steuerleistung von mindestens 80 Gulden,
- den zweiten Wahlkörper
- Wahlberechtigte mit einer Steuerleistung von 20 bis 80 Gulden und
- die besonders aufgezählten Gruppen von wahlberechtigten Gemeindeangehörigen (Beamte, Pfarrer, Doktoren, Lehrer, …),
- den dritten Wahlkörper die sonstigen (aufgrund ihrer Steuerleistung) zur Wahl Berechtigten.
Wählbarkeit
Die Wählbarkeit (das passive Wahlrecht) kam jedem Wahlberechtigten nach Vollendung des 30. Lebensjahres zu, mit bemerkenswerten Ausnahmen (zum Beispiel Militärpersonen in aktiver Dienstleistung, Gemeindebeamte und Gemeindediener sowie Schuldner der Gemeinde); Wählbar war man auch für einen Wahlkörper, dem man selbst gar nicht angehörte.[6]
Die Wahlperiode dauerte drei Jahre; es galt der Grundsatz der Teilerneuerung, d.h. alljährlich im März endete ein Drittel der Mandate (nicht beschränkt auf einen bestimmten Wahlkörper und erfolgte eine entsprechende Teil-Neuwahl (zuzüglich der Mandate, die etwa durch Tod oder Mandatsverzicht erledigt waren).[7] Allerdings wurden in der nachfolgenden Epoche des Neoabsolutismus Wahlen hinausgeschoben und die bestehenden Mandate verlängert.
Wahlordnung 1869
Eine Neuregelung erfolgte im Jahr 1869.[8] Das bestehende System wurde beibehalten, aber in Einzelheiten modifiziert: So wurden in der Kategorie des von der Steuerzahlung abhängigen Wahlrechts auch Frauen wahlberechtigt und keine bestimmte Höhe der Steuerentrichtung gefordert, daneben wurden bei den Gruppen des zweiten Wahlkörpers die Pfarrer auch nichtkatholischer Konfessionen, die Inhaber nicht bloß inländischer Doktorate und neben den Offizieren die sonstigen Militärpersonen (des Aktivstandes) hinzugefügt. Das Wählbarkeitsalter wurde auf 24 Jahre herabgesetzt, die Ausnehmung von Militärpersonen gestrichen.[9]
Dieses System blieb bis im Prinzip bis zum Ende der Monarchie in Kraft. Dies gilt insbesondere für das Prinzip der jährlichen Teilerneuerung; jahrzehntelang wurde ein Drittel der Mandate alljährlich durch Wahl innerhalb des jeweiligen Wahlkörpers neu vergeben; welches Drittel dies jeweils war, richtete sich nach der immer gleichen Reihenfolge. Diese war zu Beginn durch Losentscheid darüber ermittelt worden, welches Drittel der Mandatare bereits nach einem und welches nach zwei Jahren (gerechnet ab der ersten aufgrund dieses Systems durchgeführten Wahl) sein Mandat verlieren würde, bei danach immer dreijähriger Mandatsdauer.
Änderungen 1890
Eine Novelle von 1888[10] brachte keine wesentlichen Neuerungen. Die Novelle des Jahres 1890 brachte eine Anzahl von nicht einschneidenden Änderungen. So wurden dem ersten Wahlkörper die Ehrenbürger hinzugefügt und wurden den Doktoren bestimmte andere Hochschulabsolventen gleichgestellt.[11]
Erster Weltkrieg
Im Ersten Weltkrieg wurden keine Wahlen abgehalten. Nach dem Grundsatz, dass ein Mandatar sein Mandat bis zur Neuwahl behielt,[12] bedeutete dies, dass die zuvor gewählten Mandatare im Amt blieben, bis nach Gründung der Republik im Jahr 1918 ein neuer provisorischer Gemeinderat geschaffen wurde.
Quelle
- Eigenartikel von Karl Irresberger
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. den Wikipedia-Artikel "Klassenwahlrecht".
- ↑ Vgl. den Wikipedia-Artikel "Zensuswahlrecht".
- ↑ Gemeinde-Ordnung für die Stadt Salzburg, Beilage A zum Erlaß des Statthalters vom 15. Juni 1850, womit die von Seiner Majestät genehmigte provisorische Gemeinde-Ordnung für die Landeshauptstadt Salzburg veröffentlicht wird, LGBl. Nr. 322/1850.
- ↑ § 28 der Provisorischen Gemeindeordnung.
- ↑ § 33 der Provisorischen Gemeindeordnung.
- ↑ §§ 31 f. und 34 zweiter Satz der Provisorischen Gemeindeordnung.
- ↑ § 43 der Provisorischen Gemeindeordnung.
- ↑ Gesetz, womit ein Gemeinde-Statut und eine Gemeinde-Wahlordnung für die Landeshauptstadt Salzburg erlassen werden, LGBl. Nr. 41/1869.
- ↑ §§ 1 ff. der Gemeinde-Wahlordnung für die Landeshauptstadt Salzburg.
- ↑ Gesetz, betreffend die Abänderung des § 11 der Gemeinde-Wahlordnung für die Landeshauptstadt Salzburg vom 8. December 1869 (L.-G.-Bl. Nr. 41), LGBl. Nr. 6/1888
- ↑ Gesetz, betreffend die Abänderung der §§ 1 und 5 der Gemeinde-Wahlordnung für die Landeshauptstadt Salzburg vom 8. December 1889 (L.-G.-Bl. Nr. 41) wirksam für die Landeshauptstadt Salzburg, LGBl. Nr. 6/1890
- ↑ § 23 Abs. 4 des Gemeinde-Statuts für die Landeshauptstadt Salzburg.