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Das schwächste Glied des Mannes - woher kommt das ewige Getue um Größe, Länge, Leistung?

Androloge Andreas Jungwirth über die Frage, warum der Penis so wichtig ist für Männer.

Mythologisch aufgeladenes Körperteil: Wandrelief in römischer Villa.
Mythologisch aufgeladenes Körperteil: Wandrelief in römischer Villa.

Woher kommt eigentlich das Getue rund um das männliche Geschlechtsteil? Und warum sind so viele Männer unzufrieden mit ihrem Genital? Der Salzburger Urologe und Androloge Andreas Jungwirth liefert Antworten auf Tabu-Fragen.

Wie viele Männer kommen zu Ihnen wegen Problemen mit den Genitalien? Andreas Jungwirth: Der Großteil der Männer in meiner Ordination mit Problemen im Genitalbereich leidet an Erektionsstörungen. Das ist das Nummer-eins-Thema. Je älter Männer werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie an Erektionsstörungen erkranken. Rund 60 Prozent der Männer, die zur klassischen Vorsorgeuntersuchung kommen, wollen und nehmen Medikamente ähnlich dem Viagra.

Sind das hauptsächlich Senioren? Nicht nur, es ist aber besonders die Altersgruppe zwischen 45 und 80 Jahren. Wichtig ist dabei: Ich muss das Thema als Arzt aktiv ansprechen. Deshalb frage ich meine Patienten: Wie schaut es mit der Erektionsfähigkeit aus? Die Patienten sprechen dieses Thema von selbst nicht an.

Wie wichtig sind bei alldem der Penis und seine Größe? Die erektile Dysfunktion hat mit der Penisform gar nichts zu tun. Es geht nicht um die Länge des Penis, es geht um seine Funktionalität. Der durchschnittliche Penis ist im erigierten Zustand knapp 13 Zentimeter lang. Das ist nun einmal die Realität und stört die Männer oft sehr. Laut Studien sagen ungefähr 70 Prozent aller Männer, dass sie das Gefühl haben, ihr Penis sei zu kurz. Andererseits sagen 80 Prozent der Frauen, dass sie mit der Penislänge ihres Partners zufrieden sind. Es ist also eine subjektive, geschlechterspezifische Gefühlslage.

Das heißt, der Mann bildet sich sozusagen seinen zu kleinen Penis ein … Es gibt da ein großes Problem mit der Selbstperzeption des Mannes. Der Kabarettist Bernhard Ludwig hat das seinerzeit sehr gut geschildert: Wenn du von oben auf deinen Penis hinunterschaust, kommt er dir relativ kurz vor. Wenn man aber von der Seite auf den Penis schaut, sieht er ganz normal groß aus. Also nur aus der Vogelperspektive ist man mit seinem Penis oft ein bisschen unzufrieden.

Kann man sagen, dass das männliche Genital zum einen zwar ein mächtiges Symbol der Stärke und Fruchtbarkeit, zugleich aber auch der schwächste Punkt des Mannes ist? Der Mann definiert sich sehr stark über sein erigiertes Glied. Das ist nun einmal so. Wenn der Mann impotent ist, dann ist er das auch in seiner Gesamtheit. Es gibt auch Studien dazu, die zeigen, dass Männer mit erektiler Dysfunktion in sämtlichen Lebensqualitätsparametern deutlich schlechter abschneiden - im Sozialen, im Beruflichen, im Psychischen. Das gesamte Leben wird von dieser erektilen Funktion oder eben Dysfunktion beeinflusst. Darum ist es so wichtig, dass man bei der Vorsorgeuntersuchung auch den Sexualstatus des Mannes abfragt.

Stimmt es, dass Frust über ein zu kleines Glied zu psychischen Problemen und Depressionen führen kann? Ich glaube, der Mann definiert sich über einen funktionierenden Penis und weniger über die Länge des erigierten Gliedes. Psychische Probleme deswegen bekommt nur eine Minorität - und das sind Männer, die ihren Körper narzisstisch beobachten und bewerten.

Inwieweit hat die Pornografie den Wunsch nach einem größeren Glied befördert? Gerade bei Jugendlichen ist das ein Problem, weil man sich ja erst mit seinem Genitale zurechtfinden muss. Diese "Vorbilder" sind ja nicht die Norm, aber das glauben manche. Ich sag da zu den Patienten: "Ihr seid ja keine Pornodarsteller, der Penis ist ganz normal." Außerdem gibt es Unterschiede - wir unterscheiden beispielsweise bei Männern zwischen den Showern und den Growern: Die Shower haben einen Schwellkörper mit relativ viel Bindegewebsanteil, da ist der Penis im nicht erigierten Zustand relativ lang. Die Grower dagegen haben viel elastisches Bindegewebe im Schwellkörper - da ist der Penis im nicht erigierten Zustand relativ klein, dieser wird aber bei entsprechender Stimulation größer und im Schnitt sogar länger als ein sogenannter Shower-Penis.

Haben Männer generell einen Größenkomplex, mit dem sie irgendeinen Mangel kompensieren müssen? Oder wie ist es sonst zu erklären, dass sie immer größere SUVs lenken, immer größere Yachten bauen lassen, immer größere Wolkenkratzer errichten? Das liegt eindeutig am Testosteron, aber mit Sicherheit nicht an der Penisgröße. Man weiß aus Studien, dass Wirtschaftsbosse und erfolgreiche Männer einen signifikant höheren Testosteronspiegel haben als Durchschnittsmänner. Offensichtlich hängt Testosteron mit dem Durchsetzungsvermögen zusammen und mit dem "stärkeren Zug aufs Tor". Das ist einfach das Power-Hormon des Mannes, aber das hat nichts mit der Penisgröße zu tun.