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Kaltbaden im Winter: Ein neuer Trend mit gesundheitlichen Vorteilen

Rein ins kalte Vergnügen - Der Winter ist da, die Badesaison ist eröffnet. Ein Selbstversuch.

Eisschwimmen tritt in der kalten Jahreszeit zunehmend in den Fokus von Abenteuerlustigen
Eisschwimmen tritt in der kalten Jahreszeit zunehmend in den Fokus von Abenteuerlustigen
„Wild Swimming“ vom Feinsten in der Struberklamm bei Ebenau
„Wild Swimming“ vom Feinsten in der Struberklamm bei Ebenau

Bis 2022: Ich liebe den Sommer! Heiße, lange Tage, laue Abende, Rad fahren, wandern und vor allem schwimmen. Kein Chlorwasser, kein Hallenbadlärm, sondern herrlich warme Seen in Kärnten und - im Hochsommer - im Salzkammergut. Griechenland in der Nachsaison ist ein Traum, da die Wassertemperatur der Ägäis für mich jetzt genau richtig ist! Das Ende der Sommerferien bedeutet für mich jedoch das nahe Ende des Ausnahmezustands, die Wassertemperaturen sinken rasant, Schluss mit dem unbeschwerten Sommerfeeling, das Schwimmen ist aufgeschoben auf nächstes Jahr. Die Badesaison ist vorbei. Da kann selbst die wohlig-artifizielle Wärme in exklusiven Thermen nicht darüber hinwegtäuschen.

Frühsommerliche Badefreuden entdecken

2023: Ich freue mich schon sehr auf den Sommer und besonders auf das Schwimmen in glasklaren Seen. Und weil die heiße Jahreszeit - damit einhergehend die erträglichen Wassertemperaturen - noch so weit weg und ohnehin viel zu kurz ist, werde ich sie einfach verlängern. Also eröffne ich meine Badesaison am 1. Mai. Zähne zusammenbeißen und rein in den Wallersee. Und auch gleich weiter, im Juni beim Wandern im Arlberggebiet in den auf 1800 Metern gelegenen Formarinsee, der sich mit 10 Grad ganz schön knackig anfühlt; den Schwarzensee im Salzkammergut und einige andere wunderschöne, mir bis dahin unbekannte Gewässer in unseren Bergen - bis endlich der Fuschlsee die 20-Grad-Marke erreicht, was ein paar kurze Wochen ungetrübter Badefreude erlaubt.

Eisschwimmen begeistert immer mehr Menschen

Doch auch dieser Sommer geht viel zu schnell zu Ende, und für ein "Saisonausklangsschwimmen" findet sich einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Und so versuche ich es mit "Allerheiligenschwimmen", was erstaunte Blicke der in Daunenjacken gehüllten Spaziergänger hervorruft. Soll es das jetzt gewesen sein? Ein bedrückender Gedanke. Da stoße ich auf ein Kursangebot der Volkshochschule: "Eisschwimmen für Anfänger". Ganz schön verrückt, ist mein erster Gedanke. Schwimmen im Winter, sich ausziehen bei Schneefall, ins eiskalte Wasser steigen bei Minustemperaturen? Ich, die immer und überall friert, sich im Winter am liebsten verkriechen würde? Kursbeginn ist in der ersten Adventwoche. Der erste Abend ist noch harmlos, nur Theorie auf dem Programm. Und dann, Mitte Dezember, geht es zur Sache.

"Ganz schön verrückt, ist mein erster Gedanke."
Andrea Thiel
Kaltbaderin

Treffpunkt: 17 Uhr am Wallersee. Das Strandbad schlummert im Dunkeln, lediglich unsere Stirnlampen lassen Konturen der winterlich unwirtlichen Gegend erkennen. Der leichte Regen schlägt bald um in einen matschigen Schneefall, auch nicht besser. Ausgestattet mit leuchtenden Schwimmbojen, ein paar weihnachtlichen Schwimmkerzen im Wasser - für die Stimmung - und viel Zähneklappern (aus Bangigkeit oder temperaturbedingt, wer weiß das schon) stehen wir am Ufer, der Kursleiter erinnert uns noch einmal an die Atemübungen, wir steigen ins eiskalte Wasser. Knöcheltief, knietief (au, das tut weh!), hüfttief - und dann, wie in der Theoriestunde brav gelernt: mit einem Lächeln im Gesicht ausatmen und eintauchen.

Ich habe es geschafft! Ich sitze im finsteren See, bis zum Kinn im Wasser, es schneit, es ist dunkel, es ist wirklich kalt. Die Füße schmerzen, die Fingerspitzen noch viel mehr. Aber ich halte es aus, ich kann das. Die drei Minuten Kälteschock, die aus technischen - oder beabsichtigten? - Gründen zu vier Minuten verlängert werden, vergehen viel schneller als befürchtet. Und dann raus, auch aus der nassen Badekleidung, und rasch in einen windabweisenden Schwimmermantel hüllen. Bei den ersten Schlucken vom heißen Ingwertee bemerke ich: Mir ist überhaupt nicht kalt! Ich fühle ein Prickeln am ganzen Körper, ich bin glücklich und stolz! Und euphorisiert.

Nach einer Runde Schwimmen im kalten See - mit Neopren-Füßlingen - tut der warme Mantel zum Aufwärem gut.
Nach einer Runde Schwimmen im kalten See - mit Neopren-Füßlingen - tut der warme Mantel zum Aufwärem gut.

Eisbaden stärkt Körper und Geist

Eine Woche später der nächste Termin. Wieder schneit es, doch diesmal ist es noch taghell, was die Sache etwas einfacher macht. Zudem "schwindle" ich ein wenig. Ich habe Neoprensocken an. Um die Füße warm zu halten und auch der Verletzungsgefahr entgegenzuwirken - mit tiefgefrorenen Füßen spürt man Steine und Hindernisse kaum! Diesmal schwimmen wir ein kleines Stück, das sich aber ziemlich weit anfühlt, das Gefühl danach ist wieder phänomenal. Tja, und seither bin ich passionierte Winterbaderin. Warum? In den letzten Jahren wurde viel über Eisschwimmen - bei Temperaturen unter 5 °C - und Kaltbaden - ein bisserl weniger kalt - berichtet. Zahlreiche Studien zur Wirkung auf die physische und psychische Gesundheit wurden erstellt, Gegenstudien kamen zu konträren Ergebnissen. Kälte soll bei der Regeneration nach körperlicher Anstrengung, bei Verspannungen und Entzündungen helfen, soll sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirken, dem Immunsystem einen Boost verleihen, den Insulinstoffwechsel ankurbeln, weißes in braunes, also gutes Fettgewebe umwandeln, Depressionen und Angststörungen vermindern und vieles mehr. Allerdings: So mancher Wissenschafter bezeichnet all das als Humbug und Placeboeffekt.

Herbstbaden am Gotthardpass: Wassertemperatur 5,9 Grad
Herbstbaden am Gotthardpass: Wassertemperatur 5,9 Grad

Darum stärkt das Kältebad auch Partnerschaften

Das ist mir vollkommen egal. Mir tut es richtig gut, wissenschaftliche Erklärung dafür brauche ich keine. Neben dem völlig legalen Stimmungshoch wurde ich kälteresistenter, trotze seither den unvermeidlichen Grippe- und Erkältungswellen, habe keine winterlichen Hautprobleme mehr, und die lästigen nächtlichen Wadenkrämpfe sind gänzlich verschwunden.
Als früheren Wintermuffel zieht es mich jetzt raus zum Wandern mit einem eisigen Zielpunkt, was der Partnerschaft (mit einem Warmbader) sehr zuträglich ist, da wir nun auch in der kalten Jahreszeit einen Grund haben, gemeinsam raus in die Natur zu gehen. Und zum "Trainieren" zwischendurch und für den so geschätzten "Kick", der mit der kräftigen Dopamin-Ausschüttung erklärt wird, weil sich der Körper freut, die Erfrierungsgefahr gebannt zu haben, habe ich im Garten ein Eisfass aufgestellt. Das braucht keine Vorbereitung, außer das Wasser ist gänzlich gefroren, dann muss ich erst das Eis aufschlagen. Die warme Dusche ist jedenfalls nah, und mit einem Glas Glühwein oder besser Kinderpunsch - ist doch mit Alkohol Vorsicht geboten - klingt der Tag am Kachelofen wunderbar entspannt aus.

Zugegeben, es ist nicht immer lustig. Manchmal, wenn ich im Fass sitze, die Atemluft gefriert, der Bereich um den Solarplexus zu kribbeln und schmerzhaft zu ziehen beginnt, frage ich mich: Warum tu ich mir das an?! Dann denke ich an das Wohlgefühl beim Raussteigen (auch wenn das Wasser vor dem Abtrocknen an den Schienbeinen gefriert) und singe lautstark bei den letzten Refrains von "Lemon Tree" von Fools Garden mit. Warum? Na ja, der Song dauert 3:12 Minuten, so lange möchte ich unbedingt durchhalten. Ich weiß, dass meine Verspannungen im Nacken verschwunden sein werden und ich die ganze Nacht durchschlafen kann. Der Schlussakkord ertönt, und ich bleibe diesmal noch ein wenig länger im Wasser.

Nach den ersten Versuchen lernte ich, auf meinen Körper zu hören. Natürlich spüre ich die Kälte, aber es schmerzt nicht mehr. Durchatmen, an nichts denken, regelmäßige Schwimmbewegungen. Zur Sicherheit eine Schwimmboje mitnehmen. Und, wie mein Arzt mir riet, aus dem Wasser gehen, bevor es richtig wehtut.
Eisbaden braucht eine gewisse Vorbereitung. Das ist jedoch ganz einfach: etwa auch im Sommer einen Abstecher in einen kalten See oder einen Gebirgsbach riskieren. Und im Herbst einfach nicht mit dem Baden aufhören, den See hat man da wahrscheinlich ohnehin für sich allein. Mein Rat: Schwimmen Sie mit Vergnügen in den Winter hinein. Es zahlt sich aus!

Info und ein paar Adressen

Was im skandinavischen Norden schon lange praktiziert wird, mausert sich auch bei uns langsam zum Trend. Im bayerischen Achental empfiehlt Sportler, Autor und Biohacker Max Gotzler die 2-2-2-Regel: "Nicht kälter als 2 Grad Celsius, nicht länger als 2 Minuten und immer zu zweit." Unterschieden wird zwischen Eisbaden (max. 5 Grad Celsius) und Kaltbaden (ca. bis zu 14 Grad Celsius).

Kärnten: Der Karnerhof direkt am Faaker See bietet 3-3-Tages-Packages zum Winterschwimmen und auch Workshops für die Wim-Hof-Methode an, die sich an Meditations- und Atemtechniken orientiert. www.karnerhof.com

Beim und im Millstätter See finden folgende Eisbade-Workshops statt: heuer am 8. 12. auf der Turracher Höhe (Jägerwirt), am 13. 12. in Millstatt (Villa Postillion), am 28. 12. in Döbriach (Seevilla Cerny, Raunacht-Eisbade-Event) und am 25. 1. 2025 in Bad Kleinkirchheim (voraussichtlich Hotel Pulverer), Dauer jeweils 5 Stunden von 10 bis 15 Uhr. www.seeundberg.at/eisbaden

Salzkammergut: Ab Spätherbst findet das Winterschwimmen im Wolfgangsee statt, jeden Sonntag ab 9 Uhr im Strandbad St. Gilgen, der Eintritt ist frei. wolfgangsee.salzkammergut.at

Bayern: Der Eisschwimmverein "Serwus" in Burghausen trainiert im Wöhrsee jeweils samstags von 10 bis 14 Uhr, aufgewärmt wird danach in der Infrarotkammer. Tipp: die Stadtmeisterschaft am 1. und 2. 2. 2025 in Burghausen. serwusburghausen.de

Slowenien: Der Bleder See ist seit Jahren Treffpunkt für Winterschwimmer, hier werden sogar Weltmeisterschaften abgehalten. www.bled.si

Schweiz: Am Gotthardpass führt eine Wanderung zu vielen kalten Gebirgsseen, Ausgangspunkt ist das St.-Gotthard-Hospiz (2091 m) am Lago della Piazza, in dem eine rote Boje des Alpinen Museums mit 7000 "Botschaften an die Zukunft" schwimmt. www.ticino.ch