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Lungenspezialist warnt: "2050 könnten bis zu 25 Prozent der Kinder in Österreich Asthmatiker sein"

Jeder zweite Mensch in Österreich könnte bis 2050 an einer Allergie leiden - mit teils dramatischen Folgen für die Lunge. Warum besonders Kinder gefährdet sind, welche Rolle der Klimawandel spielt und was jetzt getan werden muss.

Schon jetzt ist Asthma bei Kindern die häufigste chronische Erkrankung in Österreich.
Schon jetzt ist Asthma bei Kindern die häufigste chronische Erkrankung in Österreich.
Professor Marco Idzko ist Leiter der Klinischen Abteilung für Pulmologie an der Meduni – und zudem sowohl Internist als auch Allergologe.
Professor Marco Idzko ist Leiter der Klinischen Abteilung für Pulmologie an der Meduni – und zudem sowohl Internist als auch Allergologe.

Asthma ist eine Volkskrankheit: Aktuell leiden rund 500.000 Menschen in Österreich daran - Tendenz steigend. Derzeit sind rund zehn Prozent aller Kinder und fünf Prozent aller Erwachsenen im Land betroffen. Die mit 90 bis 95 Prozent weitaus häufigste Form dieser Entzündungsreaktion der Atemwege ist ein Asthma, das durch eine Allergie ausgelöst wird. Und bekannt ist, dass es jetzt schon ungefähr zwei Millionen Allergikerinnen und Allergiker in Österreich gibt.

Personen mit Allergie haben dreifach erhöhtes Asthmarisiko

Marco Idzko, Professor für Pulmologie an der Meduni Wien, hat anlässlich des Welt-Asthma-Tags diese Woche eine besorgniserregende Prognose parat: "Wir gehen davon aus, dass bis 2050 bereits rund 50 Prozent der Österreicher eine Allergie haben werden." Dass es zwischen Allergie und Asthma einen starken Zusammenhang gibt, ist zahlenmäßig klar belegt, betont der Experte: "Jeder Erwachsene, der eine Allergie hat, hat ein dreifach erhöhtes Risiko, dass er etwa aus seinem klassischen Heuschnupfen ein Asthma entwickelt. Kinder mit einer Allergie haben sogar ein siebenfach erhöhtes Risiko, im Laufe der Zeit an einem allergischen Asthma bronchiale zu erkranken." Beide Risikoeinschätzungen würden zudem auf Daten beruhen, bei denen die Luftverschmutzung noch nicht berücksichtigt sei, sagt Idzko, der auch Allergologe ist.

Bis 2050 könnten 25 Prozent der Kinder Asthmatiker sein

Daher erwartet er einen starken Anstieg der Asthmapatienten: "Wenn der Anstieg der Kurve so bleibt, ist es möglich, dass 2050 bis zu 25 Prozent der Kinder in Österreich Asthmatiker sind - und bis zu 15 Prozent der Erwachsenen." Schon jetzt ist Asthma bei Kindern die häufigste chronische Erkrankung in Österreich. Das allergische Asthma - auch Early-onset-Asthma genannt - tritt meist erstmalig während der Kindheit bzw. im Jugendalter auf. Aber auch Erwachsene sind davor nicht gefeit.

Klimawandel leistet negativen Beitrag

Auslöser eines Asthmas bzw. Asthmaanfalls könnten neben einer klassischen Pollenallergie aber auch andere Stoffe sein, die in der Luft enthalten sind und die Atemwege reizen, sagt Idzko - und verweist hier auf Feinstaub und andere Formen der Luftverschmutzung. Weiters würde hier auch der fortschreitende Klimawandel einen negativen Beitrag leisten, sagt der Internist und Lungenfacharzt: Denn durch die höheren Temperaturen wird der Pollenflug verstärkt und die Allergiesaison verlängert. "Zudem stellen wir fest, dass wir jetzt aggressivere Pollen als früher haben, weil es heute trockener ist", sagt er. Dazu komme, dass durch den Klimawandel in Österreich neue Pflanzen heimisch werden, die neue Allergene mitbringen - wie etwa Traubenkraut, das auch als Ambrosia bekannt ist, betont Idzko.

Appell an Regierung: Mehr gegen Luftverschmutzung unternehmen

Weiters wirke die höhere CO₂-Konzentration in der Luft als Wachstumsbeschleuniger der Pflanzen: "Je höher der CO₂-Anteil in der Luft ist, umso mehr Pollen haben wir." Schon seit Jahrzehnten ist zudem evident, dass klassische Luftschadstoffe wie Stickstoffdioxid, etwa verursacht vom Verkehr, für Asthmaanfälle verantwortlich sind. Außerdem könne bodennahes Ozon zu einer Reduktion der Lungenfunktion und einem bleibenden Lungenschaden führen, erläutert Idzko. Sein Appell an die Politik: "Das bisschen, was wir momentan gegen die Luftverschmutzung tun, reicht hinten und vorn nicht. Wenn kein Umdenken stattfindet, werden wir weiterhin eine Zunahme der Asthmaanfälle aufgrund von Luftverschmutzung haben."

Zu viel Hygiene hemmt die Immunabwehr

Weitere Faktoren, die zum Anstieg der Zahl der Asthmapatienten führen, sind Rauchen - aber auch unsere Gene: Bei Eltern, die eine Allergie haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Kind eine Allergie und in der Folge ein Asthma entwickelt, klar erhöht. Verstärkend kommt die sogenannte Hygienehypothese hinzu, erläutert Idzko: "Je sauberer wir aufwachsen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, eine Allergie und ein allergisches Asthma zu entwickeln." Denn der Hintergrund ist, dass durch zu viel Hygiene dem Immunsystem die Herausforderung fehlt. Diskutiert werde auch, inwieweit Zusätze in unserer Nahrung - von Konservierungs- bis hin zu Farbstoffen - die Wahrscheinlichkeit für Allergien und damit auch Asthma erhöhen würden, sagt der Lungenspezialist.

Asthma und Allergie behandeln

Fachleute wie Felix Wantke von der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie fordern, dass schon ein leichtes Asthma unbedingt als solches diagnostiziert und behandelt werden sollte. Das unterstützt auch Idzko: Am wichtigsten sei hier, begleitend zur Asthmatherapie mittels Kortisoninhalation auch eine oft gleichzeitig vorliegende Allergie zu behandeln: "Denn durch eine allergenspezifische Immuntherapie - etwa in Form von einer Spritze pro Monat - wird auch das Asthma besser kontrollierbar", sagt er.

"Sport ist für die Lunge immer gut"

Die vielfach vorhandenen Vorbehalte gegen Kortison - dem etwa steigende Blutzuckerwerte, ein erhöhtes Osteoporose-Risiko sowie auch ein erhöhtes Infektionsrisiko nachgesagt werden - teilt Idzko so nicht: "Inhalatives Kortison bei einem Asthmaspray hat in den normalen Dosierungen keine systemischen Nebenwirkungen und ist sehr sicher." Wenn man zudem nach der Inhalation den Mund ausspüle, gebe es auch kein Risiko, dass es zu einem Pilzbefall im Mund komme, betont der Leiter der Klinischen Abteilung für Pulmologie an der Meduni Wien. Er hat neben dem Tipp, das Rauchen sein zu lassen, auch noch einen weiteren guten Ratschlag für Asthmabetroffene: "Sport ist für die Lunge immer gut. Denn feststellbar ist: Je mehr Couch-Potatoes wir haben, desto mehr Lungengeschädigte gibt es." Daher sei es auch für Asthma- und COPD-Patienten empfehlenswert, wenn sie Ausdauersport betreiben: "Es ist auch durch Studien nachgewiesen, dass sie dann ihre Asthmamedikation reduzieren können, weil Sport antientzündlich wirkt."