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Psychotherapie gibt es bald als Masterstudium

Werden dadurch die Ausbildungskosten tatsächlich sinken? Das hängt laut Experten davon ab, inwieweit die Unis zu Kooperationen mit den Fachgesellschaften bereit sind.

Die Ausbildung zum Psychotherapeuten bzw. zur Psychotherapeutin soll attraktiver werden.
Die Ausbildung zum Psychotherapeuten bzw. zur Psychotherapeutin soll attraktiver werden.

Der Ausbildungsweg einer angehenden Psychotherapeutin ist lang, teuer und mitunter steinig. Ein Lied davon singen kann Nóra Sándor. Auf ihr fünfjähriges Psychologiestudium folgten die einjährige Ausbildung zur klinischen Psychologin und Gesundheitspsychologin sowie ein zweijähriges Propädeutikum, dazu kamen noch fünf Jahre Fachspezifikum. Nun befindet sich die 35-Jährige im letzten Jahr ihrer insgesamt bereits zwölf Jahre andauernden Ausbildung. Für sie kommt die nun angekündigte Akademisierung zu spät: Psychotherapie soll ab 2026 als Masterstudium an öffentlichen Unis angeboten werden, an welchen ist allerdings noch offen.

Novelle des Psychotherapiegesetzes soll Ausbildung erleichtern

Eine entsprechende Novelle des Psychotherapiegesetzes wurde am Donnerstag in Begutachtung geschickt. Mit dieser soll die Ausbildung leistbarer und attraktiver werden. Denn derzeit scheitert jeder oder jede zweite, der oder die sich in psychotherapeutische Behandlung begeben möchte, daran, dass es zu wenig Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gibt. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Insgesamt ist ein Viertel der österreichischen Bevölkerung von psychischen Erkrankungen betroffen. Sieben Prozent der Bevölkerung sind bereit, eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch zu nehmen. Doch derzeit können laut Sozialministerium nur 3,8 Prozent behandelt werden.

Masterstudium zur Bewältigung des Personalmangels

Der Personalmangel, den eine anstehende Pensionierungswelle noch verschärfen wird, war wohl eine treibende Kraft für die Ausbildungsreform. Das nunmehr geplante Masterstudium soll vier Semester dauern. Um sich für einen der 500 jährlich vorgesehenen Studienplätze zu qualifizieren, braucht man ein einschlägiges Vorstudium etwa der Psychologie, Medizin oder Bildungswissenschaften. Auf den Master folgt künftig eine methodenspezifische Fachausbildung mit Praxisteil, die mit einer staatlichen Approbationsprüfung abschließt.

Derzeit wird die Ausbildung primär von Fachgesellschaften getragen, also von privaten Ausbildungsstätten, wenngleich in Kooperation mit Hochschulen. Künftig sollen diese verstärkt werden. Markus Hochgerner vom Österreichischen Arbeitskreis für Gruppentherapie und Gruppendynamik sagt: "Wenn der Gesetzesentwurf so kommt wie angekündigt und es nicht verwässert wird, bedeutet das für Patientinnen und Patienten eine gleichhaltende oder verbesserte Situation." Ob die Kosten für angehende Psychotherapeuten tatsächlich sinken, werde sich aber erst zeigen. Entscheidend ist laut Hochgerner, ob die Unis bereit sind, mit den Fachgesellschaften zu kooperieren.

Mehr Qualität und bezahlbare Kosten in Aussicht

Auch Barbara Haid, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie, sagt: "Die große Frage ist, wie viel des dritten, praxisorientierten Ausbildungsabschnitts in das Masterstudium integriert werden kann." Kosten für Selbsterfahrung und Supervision werden Studierende wohl auch in Zukunft tragen müssen - dennoch geht Haid davon aus, dass die Ausbildung durch die Novelle "mindestens um die Hälfte günstiger" wird. Derzeit kostet die Ausbildung zwischen 25.000 und 50.000 Euro.

Die klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin Nóra Sándor bezahlte für ihre Ausbildung insgesamt rund 40.000 Euro, wobei allein das Fachspezifikum mit 32.000 Euro zu Buche schlug. Finanzieren konnte sie das nur, indem sie stets neben dem Studium gearbeitet hat. Was sie an ihrer Ausbildung schätzte, war die Verschränkung zwischen Theorie und Praxis sowie das hohe Ausmaß an Selbsterfahrung. Sie hofft daher, dass an dieser Stelle nicht gekürzt wird. Haid beruhigt: "Die Selbsterfahrung ist und bleibt das Herzstück der Ausbildung, hier ist keine Verkürzung geplant." Die Praxis werde sogar ausgebaut und verbessert; künftig müssen etwa Praktika entlohnt werden.

Zukunftsperspektiven und Herausforderungen

"Wir sind unserem Ziel der Akademisierung des Berufsstandes einen großen Schritt näher", sagt Haid. Weitere Schritte wären ihrer Sicht, Bachelorstudien ebenfalls an Unis anzubieten - die Voraussetzungen dafür wurden durch die Gesetzesnovelle bereits geschaffen. Zudem brauche es mehr als die derzeit vorgesehenen 500 Plätze pro Jahr, denn: "Wir sehen, dass das Tabu, Psychotherapie in Anspruch zu nehmen, mehr und mehr fällt." Dadurch würden in Zukunft noch mehr Behandlungsplätze benötigt.

Mit großer Besorgnis nimmt Haid wahr, dass Kinder und Jugendliche inzwischen die psychisch am stärksten belastete Gruppe sind: "Hier ist noch viel mehr nötig." Etwa müsse "Gesund aus der Krise" in die Regelversorgung übergehen. Überdies brauche es flächendeckend Psychotherapie auf Krankenkasse - und Therapeuten, die Kassenplätze anbieten, müssten davon leben können. Die Psychologin Nóra Sándor, die seit zwei Jahren Patientinnen und Patienten als Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision behandelt, hat vor Kurzem ihre eigene Praxis in Wien eröffnet. Kassenplätze bietet sie keine an. Dazu seien die Bedingungen zu schlecht, wie sie sagt.