Maria Montessori
Maria Montessori (* 31. August 1870 in Chiaravalle bei Ancona, Marken, Italien; † 6. Mai 1952 in Noordwijk aan Zee, Niederlande) war eine italienische Ärztin, Reformpädagogin, Philosophin und Philanthropin. Sie entwickelte die Montessori-Pädagogik.
Leben
Maria Montessori wuchs in einer großbürgerlichen Familie Italiens zu einer Zeit auf, in der sich gerade das Land vereint hatte. Sie war dann die erste Frau, die den Doktortitel der Medizin bekam (Studium von 1892 bis 1896). 1902 begann sie das Studium der Pädagogik und entwickelte dabei ihre eigene Art des Unterrichts nach dem Prinzip: "Hilf mir, es selbst zu tun." Neben Erfolgen auf verschiedensten medizinischen Gebieten war sie auch in der Politik sehr erfolgreich. Allerdings merkte sie schnell, dass man sie ausnutzen wollte. Sie begann sich für die Rechte der Kinder einzusetzen. Nach überragenden Erfolgen ihrer Kinderhäuser im römischen Proletarierviertel San Lorenzo gab sie ihre zuvor gegründete Arztpraxis auf.
1916 verließ sie Italien und wanderte nach Barcelona, Spanien, aus, wo sie die nächsten 20 Jahre lebte. Die folgenden Jahren reiste sie viel durch die Welt. Dann ließ sich jedoch in den Niederlanden nieder, engagierte sich zunehmend für den Frieden und gründete schließlich eine internationale Gesellschaft.
Nach langer Zeit bekannte sie sich zu ihrem unehelichen Sohn und setzte ihn als rechtmäßigen Erben ein. Auf der darauf folgenden Reise nach Indien nahm sie ihn als Begleiter mit. Während ihrer Reise durch Indien brach der Zweite Weltkrieg aus und sie wurde dort wegen ihrer italienischen Nationalität interniert (das gleiche Schicksal erlebten auch die beiden Österreicher Heinrich Harrer und Peter Aufschnaiter). Sie kehrte erst nach dem Ende des Krieges, 1946, nach Europa zurück.
Am 6. Mai 1952 starb sie in Nordwijk aan Zee in den Niederlanden.
Ihre Pädagogik
Immer mehr an Bedeutung gewinnt ihre Art der Pädagogik, in der sich der Lehrer zurücknimmt und die Kinder viele Erfahrungen selbst erleben lässt. Montessori-Pädagogik verlangt eine eigene Zusatzqualifikation und zählt zu den bedeutenden alternativ-pädagogischen Ansätzen in unserer Zeit.
Ganz unumstritten ist die Person Maria Montessori jedoch nicht, wie aus dem Beitrag "Die dunkle Seite der Maria Montessori" des "Deutschlandfunks Kultur" im Februar 2024 hervorgeht. So sah sie Hitler und Mussolini als ihre Verbündete ihrer Erziehungsmethoden. Denn Montessori hatte als Ziel, das perfekte Kind zu gestalten, das nicht nur intellektuell und moralisch, sondern auch körperlich vollkommen sein muss. Sie hatte sich auch intensiv mit Eugenik (Erbgesundheitslehre) und der sogenannten Rassentheorie beschäftigt, schreib die Erziehungswissenschaftlerin und Pädagogikprofessorin Sabine Seichter in ihrem Buch.
1910 veröffentlichte Montessori ihr wissenschaftliches Hauptwerk unter dem Titel "Antropologia pedagogica". Darin legte sie ihre anthropologische Gedankenwelt auf 600 Seiten dar. Erst 2019, mehr als hundert Jahre später, erschien das Buch auf Deutsch. Es war für Sabine Seichter, Professorin für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Paris Lodron-Universität Salzburg, der Anlass, Montessoris geistigen Nährboden zu Erziehungszielen und -methoden anhand ihrer Schriften zu analysieren. Und was sich da zeigte, war kein humanistisches Welt- und Menschenbild, sondern ein rassistisch und eugenisch durchdrungenes, sagt Seichter. "Leute aus den Reihen der Anhängerschaft Montessoris werfen mir hoch emotionalisiert vor, dass es sich bei jenen unliebsamen Ansichten Montessoris lediglich um einzelne Zitate handle, die man vernachlässigen könne. Dieser Vorwurf ist jedoch nicht haltbar."
Unter Rückgriff auf den höchst normativen Rassenbegriff unterteilt Montessori die Menschen grundsätzlich in "höhere" und "niedere" Rassen", stellt Seichter fest. Der Rassenbegriff diente der Italienerin dazu, Menschen zu hierarchisieren, zu stigmatisieren und letzten Endes auch zu diskriminieren. "Für Montessori war klar: Die sog. «triumphierende Rasse» bestehe aus weißen Menschen, deren Staturtyp eine Harmonie der Formen des Körpers aufweise. Nicht zuletzt auf der Grundlage ihrer eigenen empirischen Studien zur Menschenvermessung benennt Montessori Rassenmerkmale und Rassentypen zur Sichtbarmachung und Klassifizierung der «kultvierten» sowie weniger kultivierten Rassen. Montessoris leitendes (Erziehungs-)Ziel war es, «Kinder einer perfekteren Rasse, einer besseren Menschheit» (M. Montessori) hervorzubringen, mit deren Hilfe die Welt «gereinigt» und vor fortschreitender Degeneration bewahrt werden sollte".
Noch ein Jahr vor ihrem Tod träumte Maria Montessori davon, den perfekten Menschen mithilfe biopolitischer Interventionen hervorzubringen, und führte ihre Ideen zur Errichtung eines Ministry of the Race" (1951) aus.
"Maria Montessori ging es nicht um das einzelne individuelle Kind, ihr schwebte vielmehr der Aufbau einer besseren Menschheit vor, genauer gesagt: der sog. weißen Rasse. Alles, was sie tat, zum Beispiel ihr enger Schulterschluss mit dem italienischen Faschismus Benito Mussolinis, passierte, weil sie eine kalkulierte Strategin war, die genau wusste, wie sie sich für die Verbreitung ihrer Gedanken inszenieren musste, von der Kleidung bis zur Rhetorik. Ihr Traum war der Traum vom neuen Menschen, vom perfekten Kind, das sie dann vollmundig als den neuen Messias ankündigte", so Sabine Seichter.
Vereinzelt hatten Forscher schon vor Jahren auf die problematischen rassenanthropologischen und eugenischen Ansichten Montessoris hingewiesen. Doch die Kritik verhallte damals, weil möglicherweise Personen, die sich mit Montessori beschäftigen, oft zeitgleich Funktionärsposten in der Montessori-Gesellschaft innehaben oder lukrative Montessori-Privatschulen betreiben, mutmaßt Sabine Seichter.
"Das Besondere an meiner Studie ist", so erläutert Seichter, "dass ich versucht habe, das Denken Montessoris, das auf einem Mix aus Rassenanthropologie, Eugenik, Evolutionstheorie und Sexualhygiene basiert, im geistigen Kontext des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu analysieren. Und was man dabei unweigerlich entdeckt, ist, dass Montessoris Denken nichts mit einer kinderlieben Erzieherin zu tun hat, wie es oft völlig verkitscht dargestellt wird, sondern von einer Naturwissenschaftlerin stammt, die ihre ‚pädagogischen‘ Überzeugungen voll und ganz aus der Rassenanthropologie speist. Und davon ist sie zeitlebens auch nie abgerückt."
Während im Zuge rassismuskritischer Forschungen der letzten Jahre viele Denker und Denkerinnen früherer Epochen dieser Prüfung unterzogen wurden, sei das bei Montessori bisher ausgeblieben, stellt Sabine Seichter fest und erklärt zu ihrer eigenen Forschungsarbeit: "Ich wollte mit meinem Buch nicht einen Mythos zerstören, sondern – anhand von Montessoris Schriften – einen erhellenden Blick auf die scheinbare Lichtgestalt der Reformpädagogik werfen. Wissenschaftliche Forschung ist der wertfreien Aufklärung verpflichtet, und ich denke, dass diese in der Montessori-Rezeption bis heute vielfach fehlt."
Und Seichter ergänzt: "Was mein neues Buch und viele Reaktionen darauf zeigen, ist, dass man Maria Montessori anscheinend nicht kritisieren darf. Das wird von ihrer eingeschworenen Anhängerschaft beinahe wie Blasphemie geächtet. Montessori wird im Gegenteil geradezu wie eine Heilige verehrt. Es gibt Wundererzählungen, Erfolgsgeschichten und werbeträchtige Wohlfühlslogans. Dunkle biographische Details wie zum Beispiel, dass sie ihr eigenes Kind weggegeben hat oder dass ihr rassenanthropologisches Denken alles andere als inklusiv war, werden dann gerne ausgeblendet", so Seichter.
Eine Frage, die zwar nicht Thema von Sabine Seichters wissenschaftlichem Buch ist, die sich bei der Lektüre aber aufdrängt, ist, wie es Eltern in der Praxis mit Montessori-Einrichtungen halten sollen. "Salopp würde ich sagen, man muss eigentlich froh sein, wenn in einer Montessori-Einrichtung nicht viel von jener Montessori drin ist, die ich analysiert habe. Aber wie irrwitzig wäre es dann, wenn man weiter am Label ‚Montessori‘ festhielte. ‚Montessori‘ ist keine geschützte Marke, im Grunde kann jeder unter diesem Label tun und lassen, was er will. Solange es kinderzentriert, kinderlieb, humanistisch-würdevoll daherkommt, scheint es gut zu sein. ‚Montessori‘ ist aber in den letzten Jahrzehnten zu einem Trödelmarkt unbegrenzter und beliebiger Möglichkeiten geworden. Meine Studie macht es sich zur Aufgabe, wieder mehr Licht in die Montessori-Forschung zu bringen und damit auch auf den oft wegretuschierten Schatten Maria Montessoris aufmerksam zu machen", so die Erziehungswissenschaftlerin Sabine Seichter.[1]
Montessori und Salzburg
- Montessori Verein Salzburg
- Lernwerkstatt Salzburg
- Montessori-Kinderhaus Riedenburg "Das kreative Kind" in der Neutorstraße in Salzburg
- Seit 10. August 2009 gibt es das erste Montessori Kinderhaus in der Stadt Salzburg an der Gyllenstormstraße. 2018 wurde ein zweites Montessori Kinderhaus an der Josef-August-Lux-Straße und in 2021 das dritte Montessori Kinderhaus an der Traunstraße eröffnet.
- Mehrere Montessori-Volksschulen im Land Salzburg
Quellen
- Montessori Verein Salzburg
- Montessori Ausbildung Salzburg
- www.deutschlandfunkkultur.de, 29. Jänner 2024 "Die dunkle Seite der Maria Montessori"
- www.sn.at, 1. März 2024: "Maria Montessori: Die andere Seite einer hochgepriesenen Frau"
Einzelnachweis
- ↑ www.plus.ac.at"Maria Montessori (1870–1952). Eine neue Monographie entzaubert die Ikone der Reformpädagogik"