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Wie gehen Unternehmen mit einer Welt im Wandel um?

Die geopolitische Lage verändert sich rasant - doch viele Unternehmen reagieren zögerlich. Eine aktuelle Studie zeigt: Junge Führungstalente erkennen Risiken früher und fordern strategische Neuausrichtung sowie gesellschaftliche Verantwortung.

Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sich in einer sich schnell wandelnden Welt neu zu positionieren. Junge Führungstalente fordern eine strategische Neuausrichtung und betonen gesellschaftliche Verantwortung.
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sich in einer sich schnell wandelnden Welt neu zu positionieren. Junge Führungstalente fordern eine strategische Neuausrichtung und betonen gesellschaftliche Verantwortung.

Wie sehen die Generationen die Zukunft? Die diesjährige Ausgabe des "Voices of the Leaders of Tomorrow"(Volot)-Reports vom Nürnberg Institut für Marktentscheidungen e. V. (NIM) in Kooperation mit dem St. Gallen Symposium zeigt: Junge Führungskräfte und etablierte Topmanager nehmen geopolitische Risiken und unternehmerische Verantwortung fundamental unterschiedlich wahr. Deutlich auseinander gehen die Einschätzungen vor allem beim Ausmaß und den Folgen einer multipolaren Weltordnung.

Leaders of Tomorrow sehen pessimistisch in die Zukunft

Für den Report wurden 808 Nachwuchstalente unter 35 Jahren, die "Leaders of Tomorrow", und 275 erfahrene Topmanager aus einigen der weltweit umsatzstärksten Unternehmen befragt. Demzufolge erwarten 72 Prozent des Führungsnachwuchses, dass sich die globalen Machtverhältnisse grundlegend verändern werden. Mit massiven Auswirkungen auf Märkte und Unternehmen. Dem gegenüber stehen nur 39 Prozent der Senior Executives, die diese Transformation ähnlich einschätzen. Fast die Hälfte der Etablierten (49%) geht davon aus, dass sich aktuelle geopolitische Veränderungen langfristig positiv auf Stabilität und Wohlstand auswirken. 43 Prozent nehmen diesbezüglich einen neutralen Standpunkt ein und lediglich 8 Prozent haben einen pessimistischen Blick auf die Auswirkungen der globalen Machtverschiebung und die Auflösung der Welt- und Handelsordnung, wie wir sie kennen. Ganz anders die Leaders of Tomorrow: Von diesen blickt ein Drittel mit Pessimismus auf die kommenden Jahre.

"Unternehmen müssen sich künftig strategisch besser aufstellen."
Fabian Buder
Nürnberg Institut für Marktentscheidungen e. V.

Unternehmen reagieren auf geopolitische Herausforderungen zu zögerlich

Studienautor Fabian Buder vom NIM ist überzeugt: "Die aktuellen weltpolitischen Entwicklungen deuten darauf hin, dass es Ideen wie Kooperation und Arbeitsteilung schwerer haben, sich durchzusetzen. Unsere Umfrage offenbart, dass viele Firmenlenker von den Entwicklungen, obwohl sie sich abgezeichnet haben, überrascht waren. Unternehmen müssen sich hier künftig strategisch besser aufstellen und geopolitischen Entwicklungen mehr Aufmerksamkeit schenken." - "Erfahrung ist wertvoll, aber sie hemmt, wenn sie an überholten Denkmodellen festhält, wo mutige Neuausrichtung gefragt ist", ergänzt Felix Rüdiger, Co-Autor des Volot-Reports am St. Gallen Symposium. Unternehmen wären demnach gut beraten, die Perspektive der Leaders of Tomorrow ernst zu nehmen und sich auf tiefgreifende und anhaltende geopolitische Verwerfungen vorzubereiten. Die Studienautoren empfehlen deshalb, junge Führungskräfte frühzeitiger in strategische Entscheidungen einzubinden. Ihre Perspektiven könnten entscheidend sein, um Unternehmen resilienter und geopolitisch handlungsfähiger aufzustellen.

Jüngere Führungskräfte durchleben den Wandel

"Jüngere Führungskräfte sind in ständig beschleunigende, dezentralisierte Systeme eingebettet - sie sehen den Wandel nicht nur, sie durchleben ihn. Leitende Angestellte, die von Stabilität und institutionellen Rahmenbedingungen geprägt sind, laufen Gefahr, das Ausmaß und die Geschwindigkeit dieser Veränderungen zu unterschätzen. Dies ist kein inkrementeller Wandel - sondern ein systemischer", ist etwa auch Nimrod Malinas, CEO und Gründer des Schweizer Start-ups Robonnement, überzeugt.

Die stärkere Einbindung des Nachwuchses könnte sich auch in anderer Hinsicht lohnen. So fordern 75 Prozent der jungen Führungskräfte, dass Unternehmen einen gesellschaftlichen Mehrwert leisten, nur 42 Prozent der Senior Executives priorisieren diesen Aspekt ähnlich hoch. Das gleiche Bild zeigt sich auch in puncto politischer Haltung: 31 Prozent der Leaders of Tomorrow fordern ein aktives politisches Engagement durch Unternehmen - unter den Etablierten nur 17 Prozent. Die Fähigkeit, bei Themen Haltung zu zeigen, die wirklich mit dem Unternehmenszweck und den Erwartungen der Stakeholder übereinstimmen, könnte in einer Zeit zunehmender Polarisierung weiter an Bedeutung gewinnen. Die Leaders of Tomorrow scheinen darauf besser vorbereitet zu sein.

Gefährdete Gruppen benötigen sofortige Maßnahmen

"Was jetzt zählt, ist die Einsicht, dass gefährdete Gruppen sofortige Maßnahmen benötigen. Investitionen müssen jetzt in regenerative, integrative und dezentrale Lösungen fließen. Der notwendige langfristige Wandel besteht darin, sich von linearen, ausbeuterischen und kolonialen Entwicklungsmodellen zu verabschieden. Echte Resilienz muss in sozialer und ökologischer Gerechtigkeit verwurzelt sein", fasst die Wissenschafterin Anna Beserra zusammen.