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Arbeiten mit über 50 ist eine Baustelle: Werden wir länger arbeiten oder länger arbeitslos sein?

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen steigt wieder, und sie werden älter. Die Regierung will mit einer Aktion 55 plus gegensteuern. Brauchen würde es viel mehr, sagen Experten.

Ende 2022 waren beim AMS noch 127.000 offene Stellen gemeldet, im ersten Quartal heuer waren es rund 86.000.
Ende 2022 waren beim AMS noch 127.000 offene Stellen gemeldet, im ersten Quartal heuer waren es rund 86.000.

Das Anheben des Pensionsalters bei Frauen - derzeit liegt es bei 61 Jahren - ist ein Beispiel dafür, dass in Österreich das Arbeiten im Alter eine riesige Baustelle ist. Die gute Nachricht zuerst: Im ersten Quartal waren um 14.000 mehr Frauen 60 plus in Beschäftigung als noch vor einem Jahr. Die schlechte: Die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe legte auf österreichweit 2500 Betroffene zu. Und erst im April zeigte die Statistik des AMS Salzburg, dass von der starken Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit vor allem Frauen betroffen waren. Die Kurve steigt also weiter an - und ist Teil einer Entwicklung, die nichts Gutes verheißt, wenn nicht an vielen Schrauben gedreht wird.

In Salzburg ist jeder zweite Langezeitarbeitslose über 50

Ältere Beschäftigte verlieren in der anhaltenden Rezession wieder häufiger ihre Jobs oder sie fallen wegen Krankheit aus. Gleichzeitig wird diese Alterskohorte in der Erwerbswelt immer größer - und in Zukunft noch mehr, weil auch die Weichen für ein längeres Arbeiten gestellt werden. Das Problem: Hat man mit über 50 einmal den Job verloren, gestaltet sich eine Rückkehr in die Arbeitswelt nach wie vor schwieriger als bei Jüngeren. Österreichweit 96.806 arbeitslose Personen waren im April älter als 50 Jahre, das sind um 6850 Menschen mehr als noch im April 2024. Die Langzeitarbeitslosigkeit - das betrifft Menschen, die ohne Unterbrechung länger als ein Jahr ohne Job sind - stieg im selben Zeitraum um 26,5 Prozent auf knapp 43.000 Betroffene. In Salzburg ist jeder zweite Langzeitarbeitslose über 50.

Das gab es schon: Aktion 20.000 und Sprungbrett

Die Regierung will nun mit einer Aktion 55 plus gegensteuern. 50 Mill. Euro will man laut Budgetplan dafür ausgeben. Wie das Programm ausgestaltet wird, steht noch nicht fest. In jüngerer Vergangenheit gab es bereits zwei Aktionen, um der Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Anfang 2017 etwa erfanden ÖVP und SPÖ die Aktion 20.000. So viele Langzeitarbeitslose über 50 - von damals in Summe gut 44.000 - sollten über einen zweiten Arbeitsmarkt (wie Jobs in Gemeinden und oder bei gemeinnützigen Organisationen, die nicht in Konkurrenz zur Wirtschaft standen) in die Erwerbstätigkeit zurückfinden. Gefördert wurden bis zu 100 Prozent der Lohn- und Lohnnebenkosten. 200 Mill. Euro wurden für zwei Jahre budgetiert, zwei weitere sollten folgen. Unter der türkis-blauen Regierung aber lief die Aktion aus. Am Ende wurden gut 4000 Teilnehmer gezählt. Im Jahr 2021 folgte das mit 300 Millionen Euro Sonderbudget dotierte "Sprungbrett". Dabei setzte man primär auf den regulären Arbeitsmarkt und Eingliederungsbeihilfen für Betriebe, die Langzeitarbeitslose aufnahmen. Bis zu zwei Drittel der Lohnkosten wurden ersetzt.

Eingliederungsbeihilfen, die es in mehreren Bereichen weiter gibt, wirkten, sagt Salzburgs AMS-Chefin Jacqueline Beyer, zwei Drittel der Vermittelten blieben auch danach in den Betrieben. Die Ernüchterung in der Praxis: "Ältere und Langzeitarbeitslose werden bei der Jobsuche nach wie vor ungleich behandelt, viele Bewerbungen werden nicht einmal beantwortet."

Wo ist die Willkommenskultur für Ältere in den Betrieben?

Beyers dringender Rat an die Unternehmer lautet mittlerweile: "Berauben Sie sich nicht des ganzen Potenzials." Die Rechnung, dass die Konjunkturlage gerade angespannt sei und die demografische Entwicklung Probleme löse, weil die Babyboomer in Pension gingen, werde nicht aufgehen. "Bis 2025 haben wir in Salzburg 6,2 Prozent weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter als jetzt", sagt die AMS-Chefin. Jetzt nicht auf die Generation 50 plus zu setzen, sei ein großer Fehler. "Es braucht ein neues Mindset, eine Willkommenskultur für Ältere in den Betrieben."

In den Betrieben: Umgang mit älteren Beschäftigten ändern

Wifo-Arbeitsmarktexperte Helmut Mahringer drängt auf einen "stärker inklusiven Arbeitsmarkt". Eine ältere Bevölkerung bedeute auch mehr gesundheitliche Beeinträchtigungen - bei den Beschäftigten, aber auch Arbeitssuchenden. In den nächsten Jahren werde man sich in verstärktem Maß damit auch einer Frage stellen müssen: "Haben wir mehr Menschen in Beschäftigung oder mehr in Arbeitslosigkeit?" Das System, so Mahringer, müsse so umgebaut werden, "dass Ältere produktiv an der Beschäftigung teilhaben können und sie Platz haben". Ein Beispiel seien Anreizsysteme für Betriebe wie ein Bonus-Malus-System, bei dem die Sozialversicherungsbeiträge sinken, je mehr Ältere beschäftigt werden.

Letztlich liege es aber auch an den Betrieben, den Umgang mit den älteren Beschäftigten zu ändern. "Man kann nichts erzwingen, Dinge müssen dort umgesetzt werden, wo die Menschen arbeiten", sagt der Wifo-Experte und nennt vier wichtige Säulen, auf die Unternehmen bauen sollten: "Gesundheit, Kompetenz, Motivation und die adäquate Gestaltung des Arbeitsplatzes."

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