Trainieren und hungern: Der harte Weg zum Instagram-Traumkörper
Seine Muskeln zu präsentieren ist im Social-Media-Zeitalter angesagter denn je. Ein Blick hinter die Kulissen der Bodybuildingszene.
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Aufmarsch der Teilnehmerinnen in der Bikini-Kategorie.
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Die Teilnehmer der Junioren-Bodybuilding-Klasse.
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Nach oben sind keine Altersgrenzen gesetzt.
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Die Verschönerung geht hinter der Bühne bis zur letzten Sekunde vor dem Auftritt.
Muskelbepackte Kraftsportler ächzen unter der Last der Hanteln und lassen das schwere Metall nach dem Hochstemmen klirrend in die Halterung fallen. Aus den Boxen dröhnen motivierende Rhythmen. Am Rand des kraftstrotzenden Betriebs im Salzburger Fitnessstudio "Powerhaus" tanzt eine Frau vor großen Spiegeln, betrachtet sich selbst eingehend von allen Seiten. Nur mit einem Bikini bekleidet, auf High Heels und mit einem Kopfhörer über den Ohren scheint sie in ihrer eigenen Welt zu leben. Sophie-Marie Fleischer ist 34 Jahre alt, arbeitet als Marketingspezialistin eines Motorsportunternehmens - und an ihrem Körper.
Bodybuilding, das sind nicht nur Riesen-Muskelberge. Auch Sophie-Marie hatte Bilder von "Mannweibern" im Kopf, bevor sie mit dem Sport begann: "Ich wollte immer nur dünn sein und einen Kardashian-Po haben." Mit einer X-förmigen Figur findet sie sich in der "Bikini"-Kategorie am besten aufgehoben.
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Sophie-Marie Fleischer, per Fototrick verdoppelt.
Für jeden gibt es eine Kategorie
Die richtige Klasse für jeden und jede bieten die Wettkämpfe im Bodybuilding. Bei der Session vor dem Spiegel trainiert Sophie-Marie Fleischer für die österreichischen Meisterschaften des Verbands IFBB Austria, die wenige Tage später in Hallein steigen. Dort trifft sie Sportkolleginnen und -kollegen in Klassen wie "Women's Wellness Open", "Men's Physique up to 178 cm" oder "Junior Women's Bikini 16-20 years old". Jörg Kapfer, Präsident von IFBB Austria und bei den Meisterschaften als Chef-Juror im Einsatz, erklärt: "Wir haben rund 40 Kategorien. Bei Weltmeisterschaften sind es sogar mehr als 130." Vorteile dieser Vielfalt: Für alle ist etwas dabei, und kaum jemand geht ohne einen Preis nach Hause.
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Freude über die Trophäen.
Social Media zieht die Jungen an
Seine Muskeln stolz zu präsentieren, liegt Jahrzehnte nach dem Arnold-Schwarzenegger-Boom wieder im Trend. "Wir verzeichnen ein enormes Wachstum", sagt Kapfer. Die Kategorie der unter 20-Jährigen ist bei den Titelkämpfen so gut besetzt wie kaum eine andere. Social Media verstärke den Boom. Selbstdarstellung auf Instagram und Co. ermöglicht, das Ergebnis des harten Trainings einem großen Publikum zu zeigen.
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Bodybuilding boomt bei der Jugend.
Sophie-Marie Fleischer versorgt ihre Fangemeinde mit regelmäßigen Updates samt detaillierten Einblicken in ihr Training und Gefühlsleben. Nach einer längeren Pause vom Bodybuilding ist sie im Vorjahr wieder eingestiegen: "Ich habe eine neue Herausforderung gesucht." Diesmal mit einer Trainerin, die sie rundum betreut, einen aufs Gramm exakten Ernährungsplan vorgibt und ihre Gesundheitswerte fernüberwacht.
Wochenlang nur Huhn, Reis, Brokkoli
Damit sie am Tag X mit der Traumfigur posieren kann, übt Sophie-Marie in der intensiven Wettkampfvorbereitung eiserne Disziplin: drei Stunden Training täglich, das erste Mal schon um 5 Uhr früh. Dann zu den genau vorgegebene Essenszeiten wochenlang nur das Bodybuilder-Einheitsmenü: Huhn mit Reis und Brokkoli. Es ist eine Gratwanderung für Körper und Geist, sie selbst vertraut ihrer Trainerin und spricht von "kontrolliertem Verhungernlassen". Die Askese schule Geduld und Ausdauer: "Es ist unbeschreiblich, wie glücklich ich nach jedem Wettkampf bin, wenn ich mein Butterbrot mit Käse essen darf, auf das ich so viele Monate verzichten musste."
Der ganze Weg zu einem Wettkampf sei "eine unglaublich spannende Reise, die trotz vieler Entbehrungen sehr viele schöne Momente mit sich bringt", betont Sophie-Marie. "Ob es der Support der Freunde ist, die einen vor Ort lautstark anfeuern und mit einem mitfühlen. Oder die Reisen in andere Länder zu den Wettkämpfen mit dem Coach, der dann teilweise schon mehr Freundin als Trainerin ist."
Den schönen Schein auf Instagram sieht die Sportlerin kritisch. Gezeigt werde die beste Version von sich, aber: "Nicht einmal wir Sportler können und wollen diese Wettkampfform das ganze Jahr über halten. Das zu lernen und auch zu akzeptieren ist ein unglaublich wichtiger Punkt." Die Offseason, die Zeit mit anders strukturiertem Training (weniger lang, dafür intensiver und härter) und mehr Essen, sei die Phase, in der man wächst.
Krisenbewältigung mit Bodybuilding
Die Geschichten der meisten Bodybuilder beim IFBB-Event erzählen von Körperoptimierung als Mittel zur Krisenbewältigung. Sophie-Marie hat einst mit dem Sport begonnen, um über eine Trennung hinwegzukommen. Tomas, mit 53 bei Weitem nicht der Älteste bei der Meisterschaft, stählt seine Muskeln, seit er als Jugendlicher eine schwere Krankheit überstanden hat. Alexandra, die in der Wellness-Kategorie antritt, ist Unternehmerin und Mutter eines Sohnes. Sie kämpfte in der Coronazeit mit Depressionen: "Sport und regelmäßiges Training haben mir da herausgeholfen."
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Unter den prüfenden Blicken der Jury.
Verbandspräsident Jörg Kapfer kann den psychohygienischen Nebeneffekt eines gut aufgebauten Körpers nur bestätigen: "Ich habe selbst viele Krisen durchlebt und mir Kraft und Ausgleich beim Bodybuilding geholt." Als aktiver Sportler gehörte er zu den Top Ten der Welt im Schwergewicht. Nun beurteilt er streng die nächste Generation.
Alles verboten, außer Brust-Implantaten
Das umfangreiche Regelwerk schreibt von der Größe des Bikini-Höschens bis zur Höhe der Schuhabsätze alles präzise vor. Ebenso, welche Posen zu zeigen sind und was alles nicht erlaubt ist. Beispielsweise Implantate, ausgenommen solche für die weibliche Brust. "In der Bikini-Klasse haben mindestens 90 Prozent der Teilnehmerinnen gemachte Brüste", verrät Sophie-Marie Fleischer.
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Der Bräunungsprozess.
Die optimale Bräune kommt längst nicht mehr aus dem Solarium, sondern wird hinter der Bühne per Malerrolle aufgetragen. Produkte von "Dream Tan" und Co. werden bei einer Meisterschaft kübelweise verbraucht. Die Wände im Veranstaltungszentrum sind vorsorglich mit Plastikfolien behängt. Mit ein Mal Duschen geht die künstliche Bräune nicht ab, erfahrene Bodybuilder nehmen fürs Hotel die eigene Bettwäsche mit. Für Klobrillen muss notfalls eine Frischhaltefolie als Schutz herhalten.
Glitzer-Bikini um 1000 Euro
Reich werden kann niemand von den heimischen Assen, aber für Ambitionierte gibt es Zuckerl auf Verbandskosten: "Eine unserer talentierten jungen Athletinnen wird im Dezember in Japan starten, wir bieten ihr ein richtiges Erlebnis", verrät Jörg Kapfer. Ein Sprungbrett zum großen Geld könnte auch der erste "Mr. Universe Austria" am 23. und 24. Mai 2025 in Graz werden, dort wo einst der junge Arnold Schwarzenegger seine ersten Hanteln stemmte.
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Alexandra Hofbauer (Kategorie Fitness).
Die meisten zahlen freilich nur ein. Sophie-Marie Fleischer rechnet vor: "Allein der Bikini mit Swarovski-Steinchen kostet 1000 Euro, dazu kommen Trainerin, Startgebühren, Fitnessstudio, Styling und Reisen." Die sportliche Härte des Bodybuilding bekam sie bei einem internationalen Bewerb zu spüren: "Die Mädels dort hatten eben eine schmalere Taille als ich mit 58 Zentimetern."
Großes Ziel für die Salzburgerin waren heuer die "Arnolds", der nach der Bodybuilding-Ikone benannte Wettbewerb Arnold Classic in den USA. Doch bevor es so weit war, bremste sie ein gesundheitlicher Breakdown: "Das kann ich nicht so stehen lassen. Jetzt muss ich die nächste Saison in die Vollen gehen." Und dann noch mehr an Schultern und Po zulegen, um die Wespentaillen der Konkurrentinnen wettzumachen.
Warum Marie-Sophie trotz aller Härten auf Bodybuilding steht? "Was ich daran so liebe: Dass man nicht nur körperlich wächst, sondern auch mental. Der Kopf steht uns oft im Weg. Wenn man lernt, sich in seinen Gedanken keine Grenzen zu setzen, schafft man meistens Dinge, von denen man nie gedacht hätte, dass man sie bewältigt. Wir haben es in der Hand, das beste 'Selbst' von uns zu werden."