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Hormone im Wechsel nehmen: Ja oder nein?

Hitzewallungen sind nur eines der möglichen Symptome in der Menopause. Wie eine Hormonersatztherapie helfen kann und was zu beachten ist.

Hitzewallungen und Schweißausbrüche in der Menopause können sehr belastend sein.
Hitzewallungen und Schweißausbrüche in der Menopause können sehr belastend sein.

Mitten in einer Arbeitskonferenz und plötzlich kommt innerlich wieder die große Hitze auf. Oder die Stimmung verschlechtert sich, es droht gar eine depressive Verstimmung. Die Knochendichte verringert sich und das Osteoporoserisiko steigt. Viele Frauen leiden unter Beschwerden, wenn sie in die Wechseljahre kommen. Kann da eine Hormonersatztherapie helfen? Johannes Ott, stellvertretender Abteilungsleiter der Gynäkologischen Endokrinologie der Medizinischen Universität Wien, berichtet.

Wie ist man ursprünglich darauf gekommen, Frauen in den Wechseljahren Hormone zu verschreiben? Johannes Ott: Es ist aufgefallen, dass Frauen nach der Menopause diverse Beschwerden haben, darunter Hitzewallungen, Schlafstörungen, Kältezittern sowie emotionale und körperliche Veränderungen. Das Osteoporoserisiko nimmt zu, weil die Knochendichte abnimmt, ebenso das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In Studien konnte festgestellt werden, dass diese Veränderungen zeitlich mit dem Abfall der weiblichen Geschlechtshormone mit dem Ende der Regelblutungen zusammenfallen, und die Idee ist entstanden, die Beschwerden zu therapieren und Prävention zu betreiben, indem dieses Defizit an Östrogenen und Gelbkörperhormonen künstlich ausgeglichen wird. Die Annahme war zuerst, dass nur Östrogene vonnöten sind, doch dann hat man festgestellt, dass so das Risiko für Gebärmutterschleimhautkrebs erhöht werden könnte - das passiert bei zu viel Östrogen. So kam es zu der Entwicklung, die Östrogene mit Gelbkörperhormonen zu kombinieren.

Die Hormonersatztherapie hat in ihrem Ruf immer wieder gelitten. Woran liegt das? Es gab vor einigen Jahren eine groß angelegte Studie der Women's Health Initiative, die dem Ruf der Hormonersatztherapie massiv geschadet hat. Kurz nach der Erfindung dieser Therapie wurde sie stark gehypt, dann zeigte die genannte Studie, dass das Risiko für Herz-KreislaufErkrankungen und Brustkrebs durch die Einnahme von Hormonen zunahm. Daher kommen auch heutige Befürchtungen, die noch immer viele Frauen haben. Diese Studie war allerdings nicht für das angelegt, was wir heute in der Medizin machen. Es haben sehr viele ältere Patientinnen teilgenommen im Alter von 60, 65, also weit weg von ihrer letzten Regelblutung, denen man mit dem heutigen Wissen ohnehin keine Hormonersatztherapie mehr verschreiben würde. Heute haben wir die Möglichkeit, die Hormone nicht nur oral, sondern auch über die Haut oder die Scheide zu verabreichen, und wir kombinieren die Östrogene mit Gelbkörperhormonen.

Wie genau werden die Hormone heute verabreicht? Eines der natürlicher wirkenden Östrogene ist Estradiol, dieses kommt in Zentraleuropa häufig zum Einsatz. Gemeinsam mit natürlichem Gelbkörperhormon, also Progesteron, welches als Kapsel, vaginal oder auch als Creme auf die Haut verabreicht werden kann, steigt hier weder das Risiko für Brustkrebs für acht bis zehn Jahre der Anwendung noch für Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Wir versuchen in der heutigen Medizin auf eine bioidente Hormonersatztherapie zu setzen, die also der eigenen Biologie möglichst ähnlich ist. Dieser Begriff "bioident" wird allerdings unterschiedlich verwendet. Manche verstehen darunter eher pflanzliche Stoffe wie die Phytoöstrogene, die zwar weniger effizient wirken, aber auch relativ risikolos sind, andere verstehen darunter eine Mischung diverser Östrogen- und Progesteronarten, deren Risiken zum Teil unbekannt sind. Estradiol ist ein natürliches Östrogen und gemeinsam mit Progesteron derzeit das Mittel der ersten Wahl.

"Möglichst früh nach der letzten Regelblutung beginnen."
Johannes Ott
Gynäkologe

In welchem Fall und ab wann empfiehlt sich eine Hormonersatztherapie? Laut internationalen Leitlinien immer dann, wenn Wechselbeschwerden bestehen, insbesondere Hitzewallungen und Schweißausbrüche. Dann sollte die Therapie möglichst knapp an die letzte Regelblutung anschließen, es sollte nicht zu lange gewartet werden. Studien zeigen, dass im Falle von fünf bis zehn Jahren, die man nach Einsetzen der Menopause wartet, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt. Estradiol wirkt sehr gut präventiv und bei einer guten Herz-Kreislauf-Gesundheit bewirkt es keine Arterienverkalkung. Je länger man wartet und je älter die Patientin ist, desto ungünstiger ist die Verabreichung einer Hormonersatztherapie.

Bewirkt die Therapie bei jeder Frau, dass die Hitzewallungen schwächer werden? Das ist sehr unterschiedlich. Viele, die eine postmenopausale Hormontherapie nehmen, sind tatsächlich ganz oder großteils beschwerdefrei. Bei manchen verbessern sich nur die Intensität und Häufigkeit. In den allermeisten Fällen steigt die Lebensqualität der Frauen, die vorher Beschwerden hatten, sie können ihren täglichen Verrichtungen wieder nachgehen, wieder normal arbeiten. Einiges weitere wird positiv beeinflusst: der Erhalt der Knochendichte, die Verbesserung von Schlafstörungen und von chronischer Müdigkeit, die Vermeidung von emotionalen Veränderungen, die sich sonst bis zu Depressionen auswachsen können, das Entgegenwirken zum Libidoverlust und die Reduzierung vom "Brain Fog", einem vernebelten Zustand im Gehirn, von dem einige Frauen berichten. Bei einem kleinen Prozentsatz hilft die Therapie nicht - warum, ist uns noch nicht klar. Was ich noch dazu sagen möchte: Auch die Gabe des männlichen Geschlechtshormons Testosteron kann in der Menopause und Postmenopause positive Wirkungen erzielen und gegen Probleme wie eine Libidostörung und Brain Fog helfen. Viele Frauen in den Wechseljahren berichten davon, dass sie mit der Einnahme von Testosteron mehr Energie für ihren Alltag haben. Allerdings kennen wir hier die Risiken noch nicht gut. Außerdem gibt es neue Medikamente, die ohne Hormone gegen Hitzewallungen helfen.

Um welche Medikamente handelt es sich dabei? Sie wirken direkt auf das Temperaturregulationszentrum, das ausschlaggebend ist für Hitzewallungen, Kältezittern und Schweißausbrüche. Man ist draufgekommen, dass es nicht nur der Hormonmangel ist, der zu den Temperaturbeschwerden führt, sondern dass das über Botenstoffe namens Neurokinine läuft, die sich mit Medikamenten blockieren lassen. So wird das Temperaturregulationszentrum breit gehalten, das sich ansonsten durch die Neurokinine verengen würde. Die Medikamente sind nicht sehr nebenwirkungsreich und die Medizin könnte sie im Falle postmenopausaler Beschwerden weiterentwickeln.

Gibt es eine gute Prävention gegen Beschwerden in den Wechseljahren, die sich mit dem Lebensstil erreichen lässt? Ja, Frauen, die sich sportlich viel betätigen, haben in der Regel weniger Probleme in der Menopause. Auch sonst hilft ein gesunder Lebensstil mit einer ausgewogenen, gesunden Ernährung. Das könnte auch daran liegen, dass diese Frauen besser mit sich und ihrem Körper umgehen können und sich besser um sich kümmern. Möglicherweise sind sie daher eher in der Lage, Hitzewallungen und andere Probleme für sich zu verarbeiten, fühlen sich weniger davon gefangen. Auch eine kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, weil sich dadurch die Copingstrategien, also die Strategien, mit den Problemen umzugehen, verbessern. Natürlich werden dadurch die Schweißausbrüche nicht weniger, aber die Weise, wie frau diese bewertet, und die Einstellung in Bezug auf die menopausalen Umstellungen verändern sich.