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Schilddrüsendysfunktion: Frauen viel häufiger betroffen

Wie sich die unterschiedlichen Dysfunktionen der Schilddrüse äußern und sogar einem Kinderwunsch im Weg stehen können - und was sich gegen diese Probleme machen lässt.

Bei Schilddrüsenproblemen ist eine engmaschige ärztliche Betreuung notwendig, um die Gesundheit von Mutter und Kind zu sichern.
Bei Schilddrüsenproblemen ist eine engmaschige ärztliche Betreuung notwendig, um die Gesundheit von Mutter und Kind zu sichern.

Die Herzfunktion, die Herzfrequenz und der Blutdruck. Der Energie- und Fettstoffwechsel und die Verdauung im Darm. Die Gehirnfunktion. All diese zentralen Aufgaben im menschlichen Körper stehen unter dem starken Einfluss des Hormons Thyroxin, das in der Schilddrüse gebildet wird. Ebendieser Vielseitigkeit und Komplexität der Hormonwirkung sei es auch geschuldet, dass eine Dysfunktion häufig schwer erkennbar ist, sagt Marie Helene Schernthaner-Reiter, Fachärztin für Endokrinologie und innere Medizin an der Medizinischen Universität Wien. "An einem Symptom kann man nicht festmachen, ob jemand unter einem Schilddrüsenproblem leidet." Diese Probleme teilen sich dabei auf in die Überfunktion, die Unterfunktion und einen Knoten des Organs.

Viele mögliche Symptome
Typische Symptome für eine Überfunktion der Schilddrüse sind ein schnellerer Herzschlag und deutlich spürbares Herzklopfen, Atemlosigkeit, Schlafstörungen, eine Abnahme des Gewichts, Durchfall, Zittern, ein erhöhtes Risiko für Osteoporose und, im Falle der Frau, stärkere Regelblutungen und ein kürzerer Zyklus. Eine Unterfunktion wiederum macht sich durch entgegengesetzte Anzeichen bemerkbar, darunter die Zunahme an Gewicht, Müdigkeit, Schwäche, Verstopfung, eine schwächere Regel, die mitunter sogar ausbleiben kann, Konzentrationsstörungen, brüchige Haare und Nägel sowie eine trockene Haut. Ein Schilddrüsenknoten wiederum kann eine Überfunktion begünstigen - in vielen Fällen aber bereitet er keine Probleme.

Von allen Erkrankungen der Schilddrüse sind fünf Mal mehr Frauen als Männer betroffen: 0,5 bis 2 Prozent aller Frauen weisen eine Überfunktion auf, 0,6 bis 6 Prozent eine Unterfunktion. Bei Schilddrüsenknoten sind es gar 50 bis 60 Prozent. "Es handelt sich dabei um weltweite Zahlen. Ob die Zahl niedriger oder höher ist, hängt auch von der Jodversorgung im jeweiligen Land ab", erklärt Schernthaner-Reiter. "Früher hatten wir in Österreich einen Jodmangel, heute ist das besser, weil der Mikronährstoff meistens dem Speisesalz beigemengt wird." Im Falle einer Überfunktion der Schilddrüse sei es allerdings entscheidend, nicht zu viel Jod zu sich zu nehmen. Weshalb die Erkrankungen bei Frauen deutlich häufiger auftreten als bei Männern, sei nicht abschließend geklärt. "Man geht aber davon aus, dass es mit den weiblichen Geschlechtshormonen Östrogen und Progesteron zusammenhängt, die das Vorkommen von Autoimmunerkrankungen allgemein begünstigen können."

"Bei unerfülltem Kinderwunsch Schilddrüse untersuchen."
Helene Schernthaner-Reiter
Fachärztin für innere Medizin


Probleme beim Kinderwunsch
Sowohl die Über- als auch die Unterfunktion der Schilddrüse können einem Kinderwunsch im Wege stehen. Während die Überfunktion tendenziell zu Abgängen führt, werden Frauen mit einer ausgeprägten Unterfunktion häufig gar nicht erst schwanger. Auch während einer Schwangerschaft können die Über- und auch die Unterfunktion unter anderem zu einem erhöhten Risiko für Früh- oder Fehlgeburten, zu einem niedrigen Geburtsgewicht des Kindes, zu einem erhöhten Blutverlust bei der Geburt sowie zum Herzversagen der Mutter führen. Der Fötus sei im ersten Trimester nicht in der Lage, das Schilddrüsenhormon Thyroxin selbst zu bilden. "Aus diesen Gründen ist es wichtig, die Gesundheit schwangerer Frauen mit bekannten Schilddrüsenproblemen engmaschig zu kontrollieren", sagt die Fachärztin. "Frauen mit einer Überfunktion raten wir, zunächst das Problem in den Griff zu bekommen, bevor sie schwanger werden."

Behandlungsmethoden
Denn die gute Nachricht lautet: Fast gegen alle Schilddrüsenerkrankungen lässt sich etwas unternehmen. Während bei einer Unterfunktion das in zu geringem Maße gebildete Thyroxin substituiert werden kann, ist die Behandlung im Falle einer Überfunktion komplexer. "Die Behandlung hängt stark von der Ursache ab. In erster Linie können wir das Problem medikamentös bremsen. Wenn das nicht ausreicht, kann eine Schilddrüsenoperation oder eine Radiojodtherapie erforderlich sein. Danach ist oftmals eine Hormonsubstitution wie bei der Unterfunktion notwendig", erklärt Schernthaner-Reiter. Knoten in der Schilddrüse seien, wenn sie einer Frau Beschwerden bereiten, mit unterschiedlichen Therapien bis hin zur Operation behandelbar.

Im Verdachtsfall lasse sich eine Erkrankung der Schilddrüse anhand des Blutbilds erkennen, "aber nur, wenn die entsprechenden Werte bestimmt werden. Diese gehören nicht zum Standardrepertoire des großen Blutbilds." Eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse sowie im Falle einer Überfunktion eine Szintigrafie bringen Gewissheit. "Bei unerfülltem Kinderwunsch sollte unbedingt auch die Schilddrüse untersucht werden."